Schnittentbindungen, die nicht aus medizinischen Gründen, sondern auf Wunsch der Mutter durchgeführt werden, sind diskutabel. Welche Aspekte sind wichtig bei der Beratung der Schwangeren?
Fast ein Drittel der Kinder werden in Österreich jährlich per Kaiserschnitt entbunden. (Quelle: Statista)
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Viele Schwangere verbinden mit einem geplanten Kaiserschnitt eindeutige Vorteile wie etwa weniger Schmerzen, geringere Beckenbodenbelastung oder vermiedene Notfallsituationen. Jedoch kann jede Sectio typische Komplikationen abdominaler Operationen sowie Probleme bei folgenden Schwangerschaften mit sich bringen.
Pro-Argumente von Peter Husslein: Autonomie der Patientin hochhalten
Der geplante Kaiserschnitt ist eine Behandlungsalternative zum Versuch der vaginalen Geburt. Das Wesen von Alternativen ist, dass beide Vorgehensweisen jeweils Vor- und Nachteile haben. Achtet man die Autonomie der Patientinnen hoch, bedarf es in jeder Schwangerschaft eines umfassenden Gesprächs auf Augenhöhe, in dem Ärztin oder Arzt die eigene medizinische Kompetenz und die Schwangere ihre Kompetenz über ihre Lebensführung einbringt.
Wenn man von medizinischen Konstellationen absieht, in denen aus fachlicher Sicht stark für einen geplanten Kaiserschnitt argumentiert werden kann, dann sieht die Situation bei Betrachtung der beiden Geburtsalternativen in etwa folgendermaßen aus: Die Risken sind auf beiden Seiten sehr gering und wahrscheinlich für die Entscheidung nicht primär ausschlaggebend.
Der fundamentale Unterschied betrifft die psychologischen Rahmenbedingungen. Eine erfolgreiche vaginale Geburt bedeutet ein aktives, das Selbstbewusstsein stärkendes Geburtserlebnis – wahrscheinlich neben der natürlichen Konzeption einer der letzten natürlichen Prozesse überhaupt in unserer technisierten Welt. Der geplante Kaiserschnitt hingegen ist ein weitgehend kontrollierter Vorgang, auf den sich die Schwangere schon im Vorfeld sehr gut einstellen kann.
Abwägung von potenziellen Komplikationen und Folgen
Mit einem geplanten Kaiserschnitt erspart man sich die Probleme, die potenziell bei jeder vaginalen Geburt eintreten können – wie selten diese auch sein mögen –, also beispielsweise eine akute Sectio (mit allen assoziierten Schwierigkeiten), einen Dammriss dritten Grades und einen potenziell durch die vaginale Geburt ausgelösten hypoxischen Hirnschaden. Und zweifelsohne wird bei einem elektiven Kaiserschnitt – statistisch gesehen – der Beckenboden geschont. Wie sehr Letzteres im Einzelfall zutrifft, ist derzeit prospektiv noch schwer abzuschätzen. Im Zusammenhang mit der durchschnittlich erhöhten Lebenserwartung scheint das aber doch eine nicht unbeträchtliche Rolle für die Entwicklung von Beckenbodenproblemen bei Frauen im höheren Alter zu spielen.
Auf jeden Fall müssen bei einem geplanten Kaiserschnitt die Auswirkungen auf eine nächste Schwangerschaft und die seltenen Komplikationen einer Plazenta accreta oder Plazenta percreta diskutiert werden.
Die Komplikationsrate selbst ist großen Studien zufolge beim geplanten Kaiserschnitt nicht höher als bei dem Versuch der vaginalen Geburt, die natürlich jede sekundäre Sectiokomplikation mit einschließt.
Beurteilung einer erfolgreichen Geburt
Die Schwierigkeit ist, dass Schwangere naturgemäß ihre Entscheidung zum Geburtsmodus im Vorfeld ohne allzu viel individuelle Erfahrung treffen müssen. Glücklicherweise aber neigt der Mensch dazu, selbstgetroffene Entscheidungen zumeist als gut zu bewerten. So hat sich in zahlreichen Studien gezeigt, dass die Wöchnerinnen vor allem dann mit dem Geburtsmodus zufrieden waren, wenn sie in den Entscheidungsprozess aktiv einbezogen worden waren.
Pro: Fazit
Aus den genannten Gründen gibt es in meinen Augen weder eine Pro- noch eine Kontra-Haltung beim geplanten Kaiserschnitt, der schon deshalb nicht als „Wunschkaiserschnitt“ definiert werden sollte, weil der Wunsch der Schwangeren fast nie ohne jeglichen medizinischen Aspekt vorliegt.
Die Entscheidung sollte vielmehr in einem gemeinsamen Gespräch mit der Schwangeren getroffen werden – idealerweise mit derjenigen Person, die dann auch die Geburt zu verantworten hat, und zwar am besten einige Wochen vor dem Termin.
Kontra-Argumente von Ralf Schmitz: Wunschsectios reduzieren
Ein Kaiserschnitt kann nach einer evidenzbasierten und informierten Aufklärung auch ohne eine medizinische Notwendigkeit durchgeführt werden (Wunschsectio). Häufige Gründe für eine Wunschsectio sind zum Beispiel die bessere Planbarkeit, Angst vor Schmerzen oder allgemeine Angst vor einer Geburt (Tokophobie). Der Geburtsmodus sollte mit der Schwangeren in einem zeitlich und räumlich angemessenen Rahmen besprochen werden, wobei ihre individuellen Voraussetzungen, Bedenken, Prioritäten und Bedürfnisse zu berücksichtigen sind. Bei der Aufklärung muss über die Risiken und Vorteile einer Sectio mit ihren akuten perioperativen und langfristigen Folgen für Mutter und Kind beraten werden.
Vor- und Nachteile für die Mutter
Im Vergleich zur spontanen Entbindung erhöht eine Sectio als abdominale Operation das Risiko für spezifische Komplikationen wie Thrombose, Embolie, Wundinfektion, Endomyometritis, anästhesiologische Komplikationen und mögliche Verletzungen von Bauchorganen.
Potenzielle weitere postoperative Folgen einer Sectio sind Adhäsions- oder Narbenbeschwerden und Risiken für nachfolgende Schwangerschaften wie fetale Wachstumsretardierung, Frühgeburt, Infertilität und Totgeburt. Zusätzlich ist eine Sectio ein Risikofaktor dafür, eine postpartale Depression zu entwickeln.
Frauen, die eine Sectio durchführen lassen, fehlt das emotionale und mentale Erlebnis einer natürlichen Geburt. Dies kann zu Gefühlen von Entfremdung führen und die Bindung zwischen Mutter und Kind beeinträchtigen. Eine vaginale Entbindung hingegen kann zu einer schnellen Genesung, einem gesteigerten Selbstwertgefühl und einer stärkeren Bindung zum Neugeborenen beitragen.
Im Falle einer erneuten Schwangerschaft ist die Wahrscheinlichkeit für peripartale Komplikationen nach einem Kaiserschnitt deutlich erhöht. Es werden dann vermehrt primäre oder sekundäre Re-Sectiones durchgeführt. Diese Folgeoperationen sind aufgrund der erschwerten Operationsbedingungen mit einer erhöhten intraoperativen Komplikationsrate verbunden. Typische und besonders schwerwiegende Folgen einer Sectio für nachfolgende Schwangerschaften sind eine pathologische Plazentaimplantation (Placenta praevia und/oder Placenta-Accreta-Spektrum, PAS), eine Narbenschwangerschaft oder eine Uterusruptur. Insbesondere bei nicht vorbekannter oder suboptimal versorgter PAS besteht ein hohes maternales Risiko für eine schwere Blutung und den damit verbundenen Komplikationen, wie Notfallhysterektomie, disseminierte intravasale Gerinnung oder hämorrhagischer Schock.
Vor- und Nachteile für das Kind
Vorteile einer Wunschsectio für das Kind sind beispielsweise eine Verringerung der peripartalen Mortalität und intrauterinen Asphyxierate sowie die Vermeidung von akuten subpartalen Notfallsituationen, wie einer Schulterdystokie oder einer Notsectio. Dies gilt insbesondere, wenn maternale Risikofaktoren wie Adipositas und Diabetes vorliegen. Im Rahmen einer präpartalen Beratung muss jedoch auch auf die Nachteile einer Wunschsectio hingewiesen werden.
Bei einer vaginalen Geburt finden sich im Vergleich zur Sectio weniger respiratorische Anpassungsstörungen. Die Stressreaktionen von Mutter und Kind im Rahmen der Wehentätigkeit führen zu erhöhten kindlichen ß-Endorphin- und Cortisolspiegeln, die die Lungenreifung unterstützen. Bei einer elektiven Sectio kommt es außerdem zu einer verringerten kindlichen Expression von Adiponectin als nach einer vaginalen Geburt. Dies ist einen Risikofaktor für metabolische Erkrankungen. Übersichtsarbeiten zeigen, dass per Sectio geborene Kinder ein erhöhtes Risiko für Adipositas, Diabetes Typ I, spezifische Atopien und Asthma bronchiale in der Kindheit haben. Die Pathophysiologie dieser Korrelation wird jedoch aktuell noch diskutiert.
Zusätzlich wird durch die Exposition mit dem Geburtskanal das Mikrobiom auf physiologische Weise etabliert. Dieses hat wahrscheinlich einen protektiven Einfluss auf das Risiko für atopische Erkrankungen. Die Studienlage bezüglich des vaginalen Seedings, das heißt einer direkten postnatalen Exposition der Schleimhäute des kindlichen Gesichts mit der Vaginalflora im Rahmen der Sectio, ist nicht eindeutig. Deshalb wird Seeding nicht generell empfohlen.
Kontra: Fazit
Bei der Diskussion um eine Wunschsectio geht es nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern vielmehr um eine umfassende Aufklärung und Beratung. Die Schwangere hat in dieser Situation ein erhebliches Mitsprache- und Selbstbestimmungsrecht.
Nach Möglichkeit sollten gemeinsam individuelle Lösungen gefunden werden, um einen medizinisch nicht indizierten Kaiserschnitt zu vermeiden, zum Beispiel durch eine psychologische Mitbetreuung oder das Angebot einer frühzeitigen Analgesie bei der Angst vor Schmerzen.
Em. Univ.-Prof. Dr. Peter Husslein leitet eine gynäkologische Ordination in Wien.
Prof. Dr. Ralf Schmitz, MBA, ist an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Münster, Deutschland, tätig.