Das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist die häufigste endokrine Störung von Frauen im reproduktiven Alter [
1,
2]. Dabei handelt es sich um ein sehr heterogenes Erkrankungsbild, welches sich unterschiedlich manifestiert und mit verschiedenen Komorbiditäten assoziiert ist. Durch die biochemischen Veränderungen des PCOS werden unterschiedliche Körpersysteme beeinflusst. Das Risiko für die Entwicklung einer Insulinresistenz, eines Typ-2-Diabetes, eines metabolischen Syndroms und kardiovaskulärer Erkrankungen ist erhöht [
3,
4]. Im Zusammenhang mit der Reproduktion können sich zusätzliche Komplikationen entwickeln. Wegen der meist vorliegenden Anovulation benötigen Frauen mit einem PCOS bei vorliegendem Kinderwunsch häufig reproduktionsmedizinische Maßnahmen [
5]. Werden Patientinnen mit einem PCOS schwanger, dann haben sie ein erhöhtes Risiko für bestimmte Schwangerschaftskomplikationen [
6‐
9]. Metaanalysen haben gezeigt, dass das Risiko für das Auftreten einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie, einer Präeklampsie, eines Gestationsdiabetes mellitus (GDM) und einer vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft erhöht ist [
6‐
8,
10]. Mögliche Ursachen für die erhöhte Komplikationsrate könnten in der veränderten Genexpression, der häufig vorhandenen Subfertilität und der damit verbundenen Behandlung, im PCOS per se (Hyperandrogenämie, PCO-Morphologie der Ovarien, Oligo‑/Anovulation) und in vorbestehenden Komorbiditäten (Insulinresistenz, Dyslipidämie, Übergewicht) liegen [
10]. Man geht davon aus, dass diese Faktoren einerseits direkt zu vermehrten Komplikationen, andererseits zu einer veränderten Trophoblastinvasion und gestörten Plazentation und in Folge zu Schwangerschaftskomplikationen führen können [
10]. In einer von uns durchgeführten Studie konnten wir zeigen, dass das Risiko für mütterliche Komplikationen bei Frauen mit PCOS im Vergleich zu der gesunden Kontrollgruppe, unabhängig vom vorliegenden Phänotyp, erhöht war (Odds Ratio [OR] 2,57; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,82–3,64). Das Risiko für die Entwicklung eines GDM war im Vergleich zu schwangeren Frauen ohne PCOS stark erhöht (OR 10,97; 95 %-KI 6,02–20,72) [
9]. GDM ist die häufigste Komplikation von Frauen mit PCOS während der Schwangerschaft, und eine frühe Diagnosestellung und eine damit verbundene Therapie sind essenziell, um mütterliche und kindliche Komplikationen zu reduzieren [
2]. GDM ist definiert als eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft mit einem 75-g-oralen Glukosetoleranztest (oGTT) unter standardisierten Bedingungen aus dem venösem Plasma diagnostiziert wird [
11]. Die Analyse der Blutzuckerwerte erfolgt nüchtern, nach einer Stunde und nach 2 h und wird in Österreich in der 25. bis 28. Schwangerschaftswoche im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung durchgeführt. Die diagnostischen Grenzwerte des oGTT zur Diagnose GDM wurden nach der Veröffentlichung der Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome Study (HAPO-Studie) modifiziert und sind für diese Zeitpunkte ≥ 92 mg/dl (5,1 mmol/l), ≥ 180 mg/dl (10,0 mmol/l) und ≥ 153 mg/dl (8,5 mmol/l) [
11‐
13]. Liegen spezielle Risikokonstellationen wie z. B. ein PCOS vor, sollte eine möglichst frühzeitige Abklärung auch schon vor der 25. SSW bezüglich einer bisher nicht diagnostizierten präexistenten Glukosestoffwechselstörung erfolgen [
11,
14,
15].
Risikofaktoren
Neben dem PCOS spielen genetische Prädispositionen, Übergewicht, ein höheres mütterliches Alter, die Parität, eine Mehrlingsschwangerschaft, das Geschlecht des Feten, ein Nikotinabusus, psychosoziale Faktoren und der Lebensstil der Frauen eine Rolle bei der Entstehung eines GDM (Infobox
1). Frauen mit einem PCOS weisen im Vergleich zu Frauen ohne PCOS eine erhöhte Prävalenz für eine gestörte Glukosetoleranz (OR 2,48, 95 %-KI 1,63–3,77) und einen Typ-2-Diabetes (OR 4,43, 95 %-KI 4,06–4,82) auf [
16]. Bereits 30–40 % der übergewichtigen Frauen mit PCOS im reproduktiven Alter weisen eine gestörte Glukosetoleranz auf, und 10 % haben einen Typ-2-Diabetes [
17,
18]. In der zweiten Schwangerschaftshälfte setzt physiologisch eine Insulinresistenz ein, und die Insulinsensitivität der Mutter sinkt [
11,
19]. Wenn dieser Prozess nicht ausreichend kompensiert werden kann, dann kommt es zur Manifestation eines GDM.
Entwickelt sich in der Schwangerschaft ein GDM, dann kann das akute Folgen und Langzeitauswirkungen auf die Mutter und auf das Kind haben. Für die Schwangere mit einem GDM besteht ein erhöhtes Risiko für hypertensive Erkrankungen, Infektionen, eine Frühgeburt, eine Kaiserschnittentbindung, Geburtsverletzungen, eine Schulterdystokie, postpartale Blutungen und postpartale Depressionen. Zu den wichtigsten kindlichen Komplikationen zählen die fetale Makrosomie, eine neonatale Hyperinsulinämie und Hypoglykämie und deren Folgen [
13,
20,
21]. Besteht bereits präkonzeptionell ein Diabetes und ist dieser unzureichend eingestellt, dann findet sich auch ein erhöhtes kindliches Fehlbildungsrisiko [
20,
21]. Studien haben gezeigt, dass Mütter, die in der Schwangerschaft einen GDM entwickelten, später ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes und für kardiovaskuläre Erkrankungen haben [
22]. Nach Schwangerschaften mit einem GDM besteht ein Risiko von 35–50 % für das erneute Auftreten einer Glukosetoleranzstörung in weiteren Schwangerschaften. Risikofaktoren dafür sind ein BMI > 30 kg/m
2, die Parität, eine GDM-Diagnose vor der 24 + 0 SSW in früheren Schwangerschaften, eine Insulintherapie, ein Abstand von < 24 Monaten zwischen den Schwangerschaften, eine Gewichtszunahme von mehr als 3 kg zwischen den Schwangerschaften und eine erhöhte Nüchternglukose zwei Monate nach der Geburt [
23‐
26]. Auch das Risiko für ein metabolisches Syndrom ist erhöht [
27]. Ein Nüchternblutzuckerwert über 100 mg/dl (5,6 mmol/l) beim oGTT in der Schwangerschaft ist ein unabhängiger Prädiktor für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms (OR 2,49; 95 %-KI 1,13–5,48) in den Folgejahren [
27]. Zahlreiche Studien weisen auch auf Langzeitfolgen für das Kind hin. Es zeigt sich ein erhöhtes kindliches Risiko für Übergewicht, Adipositas, metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes und Prädiabetes [
28‐
31].
Prävention
Bereits präkonzeptionell sollten Faktoren, die die Fertilität, die Kinderwunschbehandlung und den Schwangerschaftsverlauf beeinflussen können, evaluiert und optimiert werden. Dazu zählen der Blutzucker, das Gewicht, der Blutdruck, Ernährung sowie Nikotin- und Alkoholabusus [
16]. Übergewicht vor der Schwangerschaft ist der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung eines GDM [
32]. Die Datenlage zum präkonzeptionellen Gewichtsverlust im Sinne einer Intervention ist eingeschränkt [
33]. Fast alle Beobachtungsstudien zeigen aber ein niedrigeres Risiko für perinatale Komplikationen bei normalgewichtigen Frauen. Eine Lifestyle-Optimierung und ein normales Körpergewicht sollten daher schon präkonzeptionell angestrebt werden [
16]. Präventiv wird eine präkonzeptionelle Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Frauen mit PCOS und Kinderwunsch als First-line-Therapie empfohlen [
34]. Körperliche Aktivität vor und während der Schwangerschaft reduziert das Risiko für einen GDM [
35,
36]. Eine Studie lässt vermuten, dass durch einen optimierten Lebensstil, wie eine gesunde Ernährung, einen BMI < 25 kg/m
2, ≥ 30 min täglicher körperlicher Aktivität und keinen Nikotinabusus, ca. 45 % der GDM-Fälle verhindert werden könnten [
37]. Studien bzgl. Nahrungsergänzungsmittel als Prävention eines GDM gibt es nur wenige. Ein zu niedriger Vitamin-D- oder Vitamin-C-Spiegel scheint mit einem erhöhten Risiko für GDM assoziiert zu sein [
38,
39]. Bei Frauen mit PCOS findet man wiederum häufiger einen Vitamin-D-Mangel als bei gesunden Kontrollen, und dieser sollte präkonzeptionell ausgeglichen werden [
40,
41]. Auch Probiotika wurden in der prophylaktischen Anwendung zur Prävention eines GDM untersucht. Derzeit gibt es aber für die Gabe keine klare Empfehlung [
42‐
44]. Die meisten Studien zur pharmakologischen Intervention im Sinne einer Prophylaxe eines GDM gibt es bei PCOS-Patientinnen zu Metformin [
45,
46]. Metformin kann PCOS-Patientinnen zusätzlich zur Lifestyle-Intervention und sollte Patientinnen mit einem BMI ≥ 25 kg/m
2 zur Gewichtsreduktion empfohlen werden [
16]. Metformin wird präkonzeptionell schon sehr häufig bei Kinderwunsch gestartet [
16]. Studien haben die prophylaktische Anwendung von Metformin in der Schwangerschaft hinsichtlich Prävention eines GDM untersucht; das Kollektiv waren übergewichtigen Frauen [
47‐
49] und Frauen mit einem PCOS [
45,
46]. Eine protektive Rolle des Metformins hinsichtlich GDM konnte nicht klar gezeigt werden. Es zeigte sich aber bei einer Studie, dass die Metformin-Einnahme zu einer geringeren Gewichtszunahme und einer geringeren Inzidenz von Präeklampsie führt [
49]. Es fehlen jedoch Studien, die Metformin schon früh bzw. vor der Schwangerschaft initiieren.
Postpartale Betreuung
Die medikamentöse Therapie kann nach der Geburt beendet werden. Es ist jedoch so, dass sich in ca. 13–40 % der Fälle die Glukosetoleranzstörung nicht vollständig zurückbildet [
57‐
60]. Sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt sollte ein 75-g-oGTT durchgeführt werden [
11]. Postpartale Depressionen kommen bei Frauen mit einem GDM und notwendiger Insulintherapie signifikant häufiger vor [
61]. PCOS-Patientinnen weisen ebenfalls ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Depression auf. Es ist daher besonders wichtig, dass PCOS-Patientinnen mit einem GDM auf Zeichen einer postnatalen Depression befragt werden [
62,
63]. Es wird empfohlen, dass Patientinnen darauf hingewiesen werden und spätestens zum Zeitpunkt des oGTT 6–12 Wochen nach der Geburt der Befindlichkeitsbogen (Edinburgh Postnatal Depression Scale) als Screeninginstrument für eine depressive Verstimmung eingesetzt wird [
11]. Frauen mit einem GDM sollten besonders auf die Vorteile des Stillens hingewiesen werden [
11]. Studien konnten zeigen, dass Stillen negativ mit späterem Übergewicht bzw. Adipositas bei Kindern von Müttern mit GDM assoziiert ist [
64,
65]. Die Prävention von Langzeitkomplikationen ist sowohl für Kinder von Frauen mit PCOS und GDM als auch für die Frauen selbst extrem wichtig. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass das Beibehalten der physikalischen Aktivität und einer Ernährungsoptimierung, das Vermeiden von Übergewicht wie auch eine verlängerte Stilldauer das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes vermindern können [
66‐
68].
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.