Europa macht dicht. Migranten sollen außerhalb der Grenzen angehalten werden. „Ärzte ohne Grenzen“ übt scharfe Kritik an dieser Praxis.
„Es braucht ein klares Signal: Es ergibt keinen Sinn, sich auf den Weg zu machen, denn die Grenzen der EU sind dicht. Dafür müssen wir alles tun und dafür kämpfen Notis Mitarakis und ich auf europäischer Ebene mit voller Kraft!“ Das sagte Karl Nehammer, ÖVP-Innenminister, anlässlich eines Besuchs des griechischen Migrationsministers in der Cobra-Einsatzzentrale vor wenigen Tagen in Wiener Neustadt.
Die medizinische Nothilfeorganisaton Ärzte ohne Grenzen setzt andere Prioritäten. Sie ruft die EU-Staaten auf, „ihre Abschottungs- und Abschreckungspolitik zu beenden“, welche die Gesundheit von Geflüchteten in den Lagern bedroht. Der kürzlich publizierte Bericht „Constructing Crisis at Europe’s Borders“ zeige das Ausmaß des Leids, das auf den griechischen Inseln erduldet werde. ( https://bit.ly/2TzuDlb )
„Das sind keine unbeabsichtigten Folgen“, sagt Reem Mussa, humanitäre Expertin und eine Autorin des Berichts, in welchem der Einsatz auf den griechischen Inseln aufgearbeitet wird. „Seit mehr als fünf Jahren erzeugt die Politik der EU eine beispiellose Krise und enormes menschliches Leid.“
Ziel des EU-Modells der Lager an den Grenzen sei nicht nur, Asylanträge zu bearbeiten, sondern auch, Menschen davon abzuhalten, in Europa Zuflucht zu suchen. Menschen, die auf der Flucht Gewalt und Not erlebt haben, säßen unter entsetzlichen Bedingungen fest, ohne zu wissen, wie es für sie weitergehe. Lebensnotwendige Güter werden vorenthalten. Auf Samos etwa gab es über ein Jahr lang nicht einmal sauberes Trinkwasser. Ärzte ohne Grenzen musste die Menschen mit Tanklastern versorgen. Das System gefährde Menschenleben und höhle das Recht auf Asyl aus.
2019 und 2020 hat Ärzte ohne Grenzen in den psychologischen Kliniken auf Lesbos, Samos und Chios insgesamt 1.369 Patienten behandelt. Viele wiesen posttraumatische Belastungsstörungen auf.
Weitere Informationen:
Den Hörgang-Podcast zu diesem Artikel finden sie hier.