Die Sommer in unseren Breiten werden heißer. Für Gefäßpatienten und Gefäßpatientinnen sind diese Hitzewellen eine besondere Gefahr. Sie sollten daher über Schutzmaßnahmen informiert sein.
Großstädte sind von der Hitze ganz besonders betroffen und bedeuten für Personen mit chronischen Gefäßerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Akuterkrankungen.
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Täglich wiegen, regelmäßig Blutdruck und Puls kontrollieren, Beine hochlagern, Trinkpläne beachten und bedarfsweise die blutdrucksenkende Medikation anpassen – das sind wichtige Schutzmaßnahmen für Menschen mit Gefäßkrankheiten. Besonders gefährdet sind ältere, isoliert lebende Personen in Städten, wie die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) anlässlich des Hitzeaktionstags in Deutschland am 5. Juni feststellte.
Hitzetage und Hitzewellen – mehrtägige Perioden mit ungewöhnlich hoher thermischer Belastung – haben in den vergangenen Jahren auch in Mitteleuropa zugenommen. „Wir wissen, dass Hitzewellen mit gesteigerten Sterberaten verbunden sind“, berichtet Doz. Dr. Rolf Weidenhagen, Chefarzt der Gefäßchirurgie an der München-Klinik Klinikum Neuperlach. „Der Nachweis einer solchen hitzebedingten Übersterblichkeit ist wissenschaftlich erbracht.“
Hohes Risiko bei Vorerkrankungen
So nehmen nicht nur Fälle von Hitzeerschöpfung und lebensbedrohlichen Hitzeschlägen zu, sondern auch die Zahl von Notaufnahmen und Intensivbehandlungen aufgrund akuter Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Gefäßverschluss oder Schlaganfall. „Zu den besonders gefährdeten Gruppen zählen Menschen im Alter ab 75 Jahren sowie Personen, bei denen Vorerkrankungen am Herzen oder an den Gefäßen bestehen – also auch unsere Patientinnen und Patienten“, betont Weidenhagen.
Hitze als Trigger
Für das erhöhte Risiko gibt es mehrere Gründe. Auf Hitze reagiert der Körper mit Schwitzen; dieser Flüssigkeitsverlust muss durch Trinken ausgeglichen werden. „Ältere Menschen aber haben oft kaum Durstempfinden, was zu einer gefährlichen Dehydrierung führen kann“, so Weidenhagen. Zudem sind bei Menschen ab 65 Jahren die Anpassungsprozesse des Organismus an hohe Temperaturen verlangsamt oder gestört. „Hitze führt dann zu einer übermäßigen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems, zu Blutdruckabfall und Kreislaufproblemen.“ Hitze befeuert zudem Entzündungsreaktionen, verdickt das Blut, aktiviert die Blutgerinnung und destabilisiert Ablagerungen an den Gefäßwänden, was wiederum Herzinfarkte, Thrombosen, Bypassverschlüsse und Schlaganfälle fördern kann.
Verstärkte Wirkung
Auch die Wirkung von Arzneimitteln kann bei großer Hitze problematisch werden. „Typische Medikamente, die Gefäßpatientinnen und Gefäßpatienten einnehmen, sind Blutdrucksenker und Betablocker“, sagt Weidenhagen. „Flüssigkeitsmangel verstärkt deren Wirkung, wodurch der Blutdruck dramatisch sinken kann.“ Je nach Ausmaß des Blutdruckabfalls setzen zunächst Beschwerden wie Schwindel, Müdigkeit und Schwäche ein; entwässernde Medikamente können diesen Effekt weiter potenzieren. „Bei Hitzewellen sollten Patientinnen und Patienten deshalb täglich ihren Blutdruck und ihre Pulsfrequenz messen und notieren“, betont der Gefäßchirurg. Im Zweifel sollten Patientinnen und Patienten mit Hausarzt oder Hausärztin Rücksprache halten und die Medikamente vorübergehend anpassen.
Waage zeigt Flüssigkeitsverlust an
Am wichtigsten aber ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. „Ältere Personen ab 65 Jahre sollten sich jeden Tag zur Kontrolle auf die Waage stellen und ihr Körpergewicht messen, um einen Flüssigkeitsverlust rechtzeitig zu erkennen“, rät Weidenhagen. Es gilt: Wer abnimmt, ohne dass er an seinem Essverhalten etwas geändert hätte, muss nachtrinken – idealerweise Getränke wie Wasser, Tee oder Saftschorle, am besten lauwarm. Auch eine rückläufige Urinmenge und dunkel gefärbter Urin sind Warnzeichen, dass der Körper auszutrocknen droht. „An heißen Tagen mit Temperaturen über 30 Grad trinkt man am besten stündlich ein Glas, um Dehydrierung zu vermeiden“, so Weidenhagen. In Kliniken und Pflegeeinrichtungen sollten Trinkpläne zum Einsatz kommen – und auch zu Hause helfen sie.
Bei Venenleiden Beine hochlagern
Bei Patientinnen und Patienten mit Venenerkrankungen oder einer Herzschwäche kann die Hitze zu einer deutlichen Einlagerung von Flüssigkeit in den Beinen führen – „dicke Beine“ im Sommer kennen sehr viele. „Wegen der Hitze bewegt man sich auch noch weniger und lässt womöglich die Kompressionsstrümpfe weg, das führt dann schnell zu offenen Beinen und chronischen Wunden“, erläutert Weidenhagen. Abschwellen der Beine durch Hochlagern und Tragen der Kompression sind für die Betroffenen an warmen Tagen deshalb besonders wichtig – auch wenn die Strümpfe lästig sind. Um das Anziehen an heißen Tagen zu erleichtern, können Betroffene die Strümpfe zuvor einige Zeit in den Kühlschrank legen. Dadurch ergibt sich schon beim Anziehen ein angenehm kühlender Effekt.
Bis zu zehn Grad wärmer
Eine besondere Risikogruppe sind ältere, isoliert lebende, immobile oder pflegebedürftige Personen in sich überwärmenden Räumen, insbesondere in Städten. „Städter sind eher gefährdet als Menschen auf dem Land, da Städte abends und nachts bis zu zehn Grad Celsius wärmer sein können als ihr Umland“, so Weidenhagen. Für das Jahr 2050 prognostizieren Fachleute, dass mehr als zwei Drittel der Weltbevöllkerung in städtischen Gebieten leben werden. „Aufgrund des städtischen Wärmeinsel-Effekts werden dort die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit dramatisch zunehmen.“
Verdunkeln und nächtliches Kühlen
Verschattungs- und Hitzeschutzmaßnahmen sind deshalb unverzichtbar. Im privaten Bereich zählen dazu Verdunkelung von außen, Begrünung von Fassaden und Innenhöfen, der Einsatz von Ventilatoren und Kühlen der Räume durch Öffnen der Fenster in kühleren Nacht- und Morgenstunden sowie rechtzeitiges Schließen für den Tag. Patientinnen und Patienten sollten über die Auswirkungen von Hitze auf das Herz-Kreislauf-System sowie die Interaktion von Hitze mit ihren herz- und kreislaufwirksamen Medikamenten aufgeklärt werden. Informationen über Schutzmaßnahmen können das Risiko senken und das Wohlbefinden erhöhen.
Quelle: Presseaussendung DGG