Humanpathogene Herpesviren verursachen verschiedene Krankheitsbilder, deren Verlauf stark von der zellulären Immunität der Patienten abhängt. Es ist wichtig, den Immunstatus der Patienten zu überprüfen, um schwere Verläufe zu vermeiden. Frühe und sorgfältige mikrobiologische Diagnostik in Kombination mit dem zeitnahen Beginn einer antiviralen Therapie sind entscheidend. Mit Ausnahme des Varicella-Zoster-Virus gibt es keine verfügbare Impfung gegen Herpesviren. Derzeit stehen zwei Impfstoffe gegen das Varicella-Zoster-Virus zur Verfügung, die vor einer Reaktivierung des Virus schützen und die Zoster-Erkrankung verhindern.
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Die Familie der Herpesviren umfasst etwa 130 Arten von DNA-Viren, von denen 8 Typen humanpathogen sind. Herpesviren gehören zu den häufigsten Infektionsursachen beim Menschen, was weitgehend auf ihre Fähigkeit zur Latenzbildung und Reaktivierung zurückzuführen ist. Die Latenz von Herpesviren ermöglicht es dem Virus, eine persistierende Infektion in Zellen zu etablieren, ohne vom Immunsystem zerstört zu werden. Die Reaktivierung ermöglicht es Herpesviren, sich auf nichtinfizierte Personen zu übertragen und so das Überleben des Virus im Laufe der Zeit sicherzustellen. Dies zeigt die unglaubliche Anpassungsfähigkeit der Herpesviren an ihren Wirt, die sie im Laufe von Jahrtausenden erworben haben.
Herpesviren gehören zu den häufigsten Infektionsursachen beim Menschen
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Basierend auf ihrem Latenzort und ihrer Replikationsart sind die humanen Herpesviren in 3 Unterfamilien unterteilt:
1.
Alphaherpesvirinae (HSV‑1 und 2, Varicella-Zoster-Virus) sind durch ein breites Wirtszellspektrum und eine schnelle Replikation gekennzeichnet. Sie etablieren Latenz in nicht replizierenden Zellen (Neuronen), wo das virale Genom zirkuliert und ein Episom bildet.
2.
Betaherpesvirinae (Zytomegalievirus, HHV6, HHV7) haben ein enges Wirkzellspektrum. Sie replizieren langsam und etablieren Latenz in Endothelzellen, Speicheldrüsenepithel und Nierentubuli. Folglich kann eine Reaktivierung eine viszerale Erkrankung verursachen.
3.
Gammaherpesvirinae (Epstein-Barr-Virus, HHV8) haben ein sehr enges Wirtszellspektrum, da sie grundsätzlich Latenz in B‑Zellen etablieren. Ihre Replikation verläuft langsam. Sie sind potenzielle Onkoviren und werden mit verschiedenen B‑Zell-Malignomen in Verbindung gebracht.
Trotz der Tatsache, dass die Herpesviren genetisch und strukturell ähnlich sind, verursachen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder, die sich an Haut und Schleimhäuten manifestieren, aber auch andere Organe betreffen können (Tab. 1).
Tab. 1
Liste der humanpathogenen Herpesviren mit jeweiligem Latenzort und zugehörigen Krankheitsbildern, insbesondere mit Schwerpunkt auf Hautmanifestationen
Herpesviren
Krankheitsbilder
Name
Auch genannt
Latenzort
Haut und Schleimhäute
Andere Organe
HSV1, HSV2
HHV‑1, HHV2
Neuronen, typischerweise der Spinalganglien des N. trigeminus oder des N. ischiadicus
Herpesviren können außerhalb einer Wirtszelle nicht lange überleben; daher erfordert eine Übertragung in der Regel einen engen Kontakt. Mit Ausnahme des Varicella-Zoster-Virus (VZV) werden alle humanen Herpesviren durch Speichel, Genitalsekret, Schleimhaut- oder Hautläsionen übertragen. VZV wird zusätzlich durch die Atemwege oder den Kontakt mit vesikulären Läsionen übertragen und infiziert Epithelzellen des Oropharynx, des oberen Atemtrakts oder der Konjunktiven.
Für die Etablierung der Latenz wird die virale DNA stabil im Zellkern als mehrfache Kopien zirkulärer Episome aufrechterhalten [1]. Herpesviren (z. B. HSV, EBV, HCMV, HHV‑6, HHV-7) werden fast täglich im Speichel oder den genitalen Sekreten ausgeschieden, oft ohne Symptome, was darauf hindeutet, dass die Latenz ein dynamischer Prozess ist. Mit der Ausnahme von VZV treten Reaktivierungen sehr häufig und meistens asymptomatisch auf, was als „viral shedding“ bezeichnet wird. Beispielhaft sei hier das HSV-2-Virus angeführt, bei dem das Virus in genitalen Abstrichen bei 10,2 % der asymptomatischen Träger in hohen Mengen nachgewiesen werden kann [2, 3].
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Vermutete Triggerfaktoren einer Reaktivierung sind UV-Strahlung, systemische oder lokale Immunsuppression, Fieber, Stress (z. B. septischer Schock) sowie Traumata der Haut oder der Ganglien. Eine besonders ausgeprägte Klinik ist häufig im Rahmen einer Immunsuppression (Reduktion der T‑Zell-Immunüberwachung) zu beobachten und betrifft onkologische oder organtransplantierte Patienten [4].
HSV-1 und HSV-2
HSV‑1 und HSV‑2 teilen eine hohe Homologie der viralen Sequenzen und sind mit ähnlichen Krankheitsbildern assoziiert. Beide Viren werden typischerweise durch direkten Kontakt mit kontaminiertem Speichel oder anderen infizierten Körpersekreten übertragen. Die Erstinfektion mit HSV‑1 tritt am häufigsten während der Kindheit auf, nachdem die mütterlichen Antikörper im ersten Lebensjahr verschwunden sind. Aufgrund ihrer Homologie besteht eine teilweise klinische Kreuzimmunität zwischen HSV‑1 und HSV‑2, und infolgedessen kann eine primäre genitale HSV-2-Infektion bei Patienten mit HSV-1-Immunität asymptomatisch sein und umgekehrt. Die Seroprävalenz von HSV‑1 steigt mit dem Alter stetig an und erreicht bei Erwachsenen im Alter von 28–30 Jahren in Deutschland einen Höhepunkt von 80 % [5].
HSV‑2 wird hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr übertragen, und die Infektionsrate steigt erst nach der Pubertät an, mit einer Prävalenz von etwa 14 % bei Erwachsenen [5]. Höhere Seroprävalenzen finden sich international bei Personen, die regelmäßig ihre sexuellen Partner wechseln, sowie bei homosexuellen Männern [6]. Wichtig ist, dass neu auftretende oder bestehende HSV-2-Infektionen mit einem 2‑ bis 4‑fachen Anstieg des Übertragungsrisikos des humanen Immundefizienz-Virus (HIV) einhergehen. HSV‑2 erhöht das Infektionsrisiko pro Koitus um das 7‑ bis 9‑fache [7].
Die HSV-2-Prävalenz bei HIV-1-Positiven in Europa beträgt etwa 30–70 % [8]. Vermutlich verantwortlich dafür ist die mit der HSV-2-Reaktivierung einhergehende persistierende lokale Entzündungsreaktion mit hohen Konzentrationen an CCR5-reichen CD4-positiven T‑Zellen und dendritischen Zellen in der Submukosa der Genitalregion, die eine Eintrittspforte für HIV darstellen [7].
Die Infektionen mit HSV‑1 und HSV‑2 auf der Haut äußern sich meist in Form von Bläschen, die sich, abhängig vom Virustyp und der betroffenen Körperregion, unterschiedlich darstellen können. Die primäre Herpesinfektion verläuft oft asymptomatisch. Treten allerdings mukokutane Läsionen auf (üblicherweise 3–7 Tage nach Exposition), so sind diese in der Regel schwerwiegender als bei rezidivierenden Infektionen. Patienten erleben häufig ein Prodromi, wie zum Beispiel leichte Lymphadenopathien, lokale Schmerzen, Brennen oder Kribbeln. Der primäre Herpes labialis tritt normalerweise im Mund- und Lippenbereich auf, während der Herpes genitalis die Vagina, Vulva, den Gebärmutterhals, den Anus, den Penis, den Hodensack, das Gesäß oder die Innenseiten der Oberschenkel betreffen kann. Zervizitis oder Proktitis sind dabei relativ häufige begleitende Symptome, wobei auch symptomlose HSV-1- oder HSV-2-Läsionen am Gebärmutterhals auftreten können [9].
Nach einer Erstinfektion beginnen die Viren, sich am Infektionsort (mukokutan) zu replizieren, und setzen dann ihre Reise durch retrograden Fluss zu den Axontermini sensorischer Neuronen fort, deren Somata typischerweise im Trigeminus‑, Kokzygeal- oder Sakralplexus des dorsalen Wurzelganglions (DRG) versammelt sind.
Bei der Reaktivierung erreicht das Virus die dermoepidermale Junktionszone durch anterograden axonalen Transport, wobei ansässige CD4- und CD8-positive Gedächtnis-T-Zellen in der Nähe der Reaktionszone das Virus schnell auslösen können [10]. Deswegen zeigt sich eine Reaktivierung am häufigsten als asymptomatisches „viral shedding“. Bei HSV-2-seropositiven Personen ist „viral shedding“ so häufig, dass sie immer als potenzielle Virusexkreteure betrachtet werden sollten [11].
Bei partieller oder fehlender lokaler zellulärer Immunität kommt es entweder zu subklinischer Virusfreisetzung oder zu ausgedehnter Replikation und Ausbreitung der Viren mit Nekrose der Epithelzellen und klinischem Rezidiv (Hautbläschen, Ulzerationen). Zusätzlich, treten Rückfälle manifestierter HSV-2-Infektionen bei fast jedem Patienten, der von HSV‑2 betroffen ist, auf, manchmal sogar sehr häufig, wie mindestens 6‑mal im Jahr [12]. Rückfälle selbst können großen emotionalen Stress verursachen und gleichzeitig durch emotionalen Stress verschärft werden [13]. Betroffene Patienten und ihre Sexualpartner leiden daher häufiger unter signifikanten psychosozialen Problemen.
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Im Gegensatz dazu ist die virale Ausscheidung von HSV‑1 weniger verbreitet, mit einer Rate von 1–3 % bei latent infizierten HSV-1-Patienten [2]. Interessanterweise treten wiederkehrende, genitale HSV‑1 über 5‑mal seltener auf [14]. Symptomatische rezidivierende orolabiale HSV-1-Infektionen sind weniger verbreitet und betreffen klassischerweise die Übergangszone der Lippe (im Gegensatz zum Mund und den Lippen, wie es bei der primären Infektion zu sehen ist).
Aufgrund ihrer Homologie besteht eine teilweise klinische Kreuzimmunität zwischen HSV‑1 und HSV‑2. Als Ergebnis kann eine primäre genitale HSV-2-Infektion bei Patienten mit HSV-1-Immunität asymptomatisch sein, und umgekehrt.
In der Bevölkerung immungeschwächter Patienten kann eine HSV-Infektion zu schweren und chronischen Verläufen führen [15]. Die häufigste Erscheinungsform einer schweren und chronischen HSV-Infektion sind rasch wachsende Ulzerationen (Abb. 1) oder warzenförmige/eitrige Läsionen von Herpes vegetans (Abb. 2). Es ist nicht ungewöhnlich, dass immungeschwächte Patienten eine Atemwegs‑, Magen-Darm- oder ZNS-Beteiligung zeigen.
Abb. 1
a, b Beispiel für atypische Herpesvirusinfektionen durch HSV‑2 bei Patienten mit fortgeschrittener HIV-Infektion. Nach Beginn der antiretroviralen Therapie gegen HIV kann die HSV-2-Infektion paradoxerweise verschlechtern, als Folge eines Immunerholungssyndroms, wie beim Patienten in b dargestellt
Abb. 2
a, b Zwei Beispiele von Herpes vegetans bei HIV-positiven Menschen. b Patient mit Aciclovir-resistentem HSV‑1
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Etwa 2,35 von 100.000 Neugeborenen in Deutschland erleiden eine neonatale Infektion mit HSV, die in Europa auf eine HSV-Exposition während der vaginalen Geburt zurückzuführen ist [16]. Da das Risiko der HSV-Übertragung auf das Neugeborene bei einer vaginalen Geburt hoch ist (30–50 %), haben Frauen mit rezidivierendem genitalem Herpes ein geringes Risiko, HSV vertikal auf ihr Neugeborenes zu übertragen [16].
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Frauen, die jedoch während der Schwangerschaft eine genitale HSV-Infektion entwickeln, haben ein höheres Risiko und sollten einen Kaiserschnitt in Betracht ziehen, insbesondere wenn die Erstinfektion nach der 34. Schwangerschaftswoche auftritt. Die meisten Säuglinge haben einen milden klinischen Verlauf, aber einige sind schwer betroffen. Das neonatale Herpesvirus tritt am 5. bis 14. Lebenstag auf und präsentiert sich klinisch mit disseminierten Hautläsionen und Beteiligung von Mund- und Augenschleimhaut. Weiters können Enzephalitis mit Lethargie, schlechtes Trinkverhalten, gewölbte Fontanelle, Reizbarkeit und Krampfanfälle auftreten.
Andere Manifestationen von HSV‑1 oder HSV‑2 umfassen:
Herpes gladiatorum: Dieser tritt vor allem bei Sportlern am seitlichen Hals, an der Gesichtsseite und auf den Unterarmen 4 bis 11 Tage nach Exposition auf und wird häufig als bakterielle Follikulitis fehldiagnostiziert.
„Herpetic Whitlow“: Meistens am Finger lokalisierte durch HSV‑2 bedingte Blasenbildung mit Erosion. Eine begleitende Lymphadenopathie oder Lymphangitis sind möglich. Eine häufige Fehldiagnose ist eine akute Paronychie oder blasige Daktylitis.
Eczema herpeticum: Äußert sich als umfassende Ausbreitung einer HSV-Infektion bei gestörter Hautbarriere (z. B. atopische Dermatitis, Darier-Krankheit, pemphigus foliaceus, pemphigus vulgaris, Hailey-Hailey-Krankheit, Mycosis fungoides, Ichthyose). Patienten zeigen generalisierte, 2 bis 3 mm große, ausgestanzte Erosionen mit hämorrhagischen Krusten. Häufig bestehen Allgemeinsymptome wie Fieber oder Abgeschlagenheit. Es kann auch zu einer sekundären Impetigo mit Staphylokokken- oder Streptokokkenarten kommen.
VZV
Das HHV‑3, allgemein als VZV bezeichnet, verursacht zwei klinisch unterschiedliche Krankheiten: Varizellen (auch Windpocken oder Feuchtblattern genannt) stellen die akute, primäre Infektionsphase der VZV-Infektion dar, während Herpes Zoster eine Reaktivierung des Virus aus der Latenzphase ist.
Die primäre Infektion mit dem Varicella-Zoster-Virus (VZV) ist äußerst häufig und sehr ansteckend. Etwa 90 % der exponierten seronegativen Patienten erkranken [17]. VZV verbreitet sich über den Luftweg, wobei der Großteil des Virus von der Haut stammt, wo es in Bläschensekret hoch konzentriert vorkommt [18]. Außerhalb des Körpers verliert das Virus jedoch rasch seine Infektionskraft. In Ländern, in denen die Varizellenimpfung routinemäßig in der Kindheit empfohlen wird, hat sich die Epidemiologie der Varizellen dramatisch verändert, wobei die Inzidenz, Krankenhauseinweisungen und Todesfälle aufgrund von Varizellen bei Kindern um mehr als 95 % zurückgegangen sind, mit anderen Vorteilen wie Herdenimmunität und Unterbrechung jährlicher Epidemien [19, 20].
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Die Symptome der primären Varizellen-Zoster-Infektion sind leichtes Fieber, vesikuläre Läsionen in verschiedenen Entwicklungsstadien (Flecken, Papeln, Bläschen, fest haftende Krusten), konzentriert im Gesicht und Rumpf, sowie weniger an den Extremitäten. Häufig betroffen sind auch die behaarte Kopfhaut und die Mundschleimhaut mit gelblich bedeckten Erosionen. Die Krankheit dauert in der Regel 2 bis 3 Wochen und hinterlässt keine Narben. Varizellen bei Kindern verlaufen normalerweise selbstlimitierend, obwohl Komplikationen unberechenbar sein können. Bei Erwachsenen verläuft die Infektion in der Regel schwerer mit ausgeprägten Allgemeinsymptomen wie Krankheitsgefühl, Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen sowie Lymphknotenschwellung. Bis zu 20 % der Erwachsenen entwickeln als Komplikation eine Lungenentzündung, die einige Tage nach Beginn der Erkrankung auftreten kann [17].
Weitere Komplikationen können bakterielle Sepsis, Enzephalitis und Blutungen sein. Erwachsene, schwangere Frauen, Säuglinge und Personen, die schwer immuninkompetent sind, haben ein höheres Risiko für schwerwiegende Komplikationen und Tod. Wichtig ist, dass eine Varizelleninfektion im ersten und zweiten Trimester der Schwangerschaft in etwa 1 % der Fälle zu einem kongenitalen Varizellensyndrom führen kann [21].
Zusätzlich kann eine Primärinfektion der Mutter am Ende der Schwangerschaft (innerhalb von 5 Tagen vor bis zu 2 Tagen nach der Geburt) zu neonatalen Windpocken führen, welche eine Letalität von bis zu 20 % aufweisen [21]. Für die postexpositionelle Prophylaxe seronegativer Schwangerer steht ein Varizellen-Zoster-Immunglobulin (VZIG) zur Verfügung (Varitect® Biotest Pharma GmbH), dessen Gabe möglichst rasch innerhalb von 96 h, maximal bis zu 10 Tagen, empfohlen ist. VZIG sind auch bei Neugeborenen indiziert, deren Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung an Varizellen erkrankt ist.
Trotz der langanhaltenden Immunität nach der Genesung von der Primärinfektion kann ein Abfall der antiviralen zellvermittelten Immunität zu einer örtlichen Reaktivierung der Erkrankung in den sensorischen Ganglien führen, wodurch Herpes Zoster (HZ; auch Gürtelrose genannt) verursacht wird [22]. Ältere Personen sowie Patienten mit lymphoproliferativen Malignomen oder Immunsupprimierte haben ein höheres Risiko. Bis zum Alter von 85 Jahren erkranken mehr als 50 % der Bevölkerung an mindestens einer Episode von Zoster [23].
Bis zum Alter von 85 Jahren erkranken mehr als 50 % der Bevölkerung mindestens einmal an Zoster
Solche epidemiologischen Beobachtungen finden Unterstützung in In-vitro-Daten, die eine verminderte Häufigkeit von VZV-spezifischen T‑Zellen bei Patienten über 55 Jahren aufzeigen. In 30−40 % der Fälle sind dabei keine nachweisbaren VZV-spezifischen T‑Zell-Antworten durch einige Testmethoden vorhanden [24]. Insbesondere korreliert eine robuste zellvermittelte Immunität gegen VZV zu Beginn des Zoster-Ausschlags mit einer geringeren Schwere der Erkrankung und einem geringeren Risiko für postherpetische Neuralgie (PHN; [23]). Weiters kann ein gewisser genetischer Schutz bestehen: Beispielsweise weisen Erwachsene aus ethnischen Gruppen der Subsahara, in den USA und im Vereinigten Königreich im Vergleich zu Kaukasiern eine um 25–50 % niedrigere Zoster-Inzidenz auf [25].
HZ zeichnet sich typischerweise durchstechende und brennende Schmerzen, aus, die in einem begrenzten Dermatom einseitig auftreten und nicht über die Mittellinie des Körpers verlaufen. Typischerweise folgt innerhalb von 2 bis 3 Tagen ein Exanthem mit gruppierten Bläschen auf gerötetem Grund. In der Regel sind benachbarte Bereiche der thorakalen oder lumbalen Region betroffen, wobei auch vereinzelt Satellitenläsionen auftreten können. Die Effloreszenzen bilden sich meist über 3 bis 5 Tage narbenlos zurück. Eine Ausbreitung auf andere Hautregionen oder eine Beteiligung viszeraler Organe ist möglich (Pneumonie, Enzephalitis). Immunkompromittierte Patienten haben dafür ein höheres Risiko.
Die Behandlung von HZ sollte so früh wie möglich beginnen, am besten im Prodromalstadium
In der Schwangerschaft ist eine HZ-Erkrankung nicht mit einem erhöhten Risiko für angeborene Missbildungen verbunden [26]. Es gibt keine klinischen oder serologischen Hinweise auf eine VZV-Infektion bei Neugeborenen und Säuglingen, deren Mütter eine perinatale Gürtelrose entwickelt haben. Personen mit HZ sollten jedoch Läsionen abdecken, um das Risiko einer Übertragung von VZV auf schwangere Frauen oder Personen mit geschwächtem Immunsystem zu reduzieren. Schwangere Frauen (in jedem Schwangerschaftsstadium) die dem VZV ausgesetzt sind, sollten eine passive Antikörperprophylaxe mit einer Immunglobulin-Zubereitung, die VZV-Immunglobulin G enthält, innerhalb von 96 h nach der Exposition erhalten.
Die Behandlung von HZ sollte so früh wie möglich beginnen, idealerweise während des Prodromalstadiums. Eine geringere Wirksamkeit wird beobachtet, wenn der Therapiestart > 72 h nach Auftreten der Hautläsionen erfolgt, insbesondere wenn keine neuen Läsionen auftreten. Famciclovir und Valaciclovir weisen bei oraler Gabe eine bessere Bioverfügbarkeit als Aciclovir auf und werden bei HZ bevorzugt. Kortikosteroide verringern nicht die Häufigkeit von Post-Zoster-Schmerzen [27]. Zoster-Rezidive sind selten und treten hauptsächlich bei immungeschwächten Patienten auf, oft in anderen Dermatomen als die erste Zoster-Episode [28].
Besondere Formen:
Zoster ophthalmicus: Hier ist das Innervationsgebiet des 1. Trigeminusastes (N. ophthalmicus) betroffen. Das Ganglion ciliare kann ebenfalls involviert sein. Das Vorhandensein von herpetischen Läsionen um die Nasenspitze herum wird als Hutchinson-Zeichen bezeichnet. Das Vorhandensein des Hutchinson-Zeichens weist auf eine Beteiligung des Nasoziliargangs oder des Ganglion ciliare hin, was ein höheres Risiko für eine Augenbeteiligung bedeutet. Keratitis und/oder Uveitis können schwerwiegend sein und zu Vernarbungen führen.
Ramsay-Hunt-Syndrom: Betroffen ist der N. facialis, der im Bereich des ersten Astes des N. trigeminus reaktiviert wird, und das Auge kann betroffen sein. Starke Schmerzsymptomatik.
Zoster generalisatus: Mehrere Dermatome werden überschritten, oft mit Beteiligung innerer Organe einhergehend.
Zoster paresis: Armschwäche oder Zwerchfelllähmung nach zervikalem Zoster, Beinschwäche nach lumbalem oder sakralem Zoster, Harnretention nach sakralem Zoster. Etwa 50 % der Patienten erholen sich vollständig.
Die postherpetische Neuralgie (PHN) wird als Schmerz definiert, der mindestens 3 Monate nach dem Auftreten des Hautausschlags anhält. Es handelt sich um eine häufige und ernsthafte Komplikation von Herpes Zoster, die in etwa 15 % der Fälle auftritt [23].
Alter und verzögerte Behandlung sind die wichtigsten Risikofaktoren für PHN, wobei das Risiko nach dem 50. Lebensjahr schnell zunimmt. Ein frühzeitiger Beginn der antiviralen Behandlung (< 72 h) bei Zoster-Ausschlag kann die Schwere verringern [29]. Derzeit existiert keine randomisierte kontrollierte Studie für Patienten mit PHN, und antivirale Medikamente allein werden nicht zur Behandlung von PHN empfohlen. Orale trizyklische Antidepressiva (TCA), Pregabalin und das Lidocain-5 %-Pflaster werden als Erstlinientherapie verwendet [29]. Die Zoster-Impfung ist derzeit die einzige Möglichkeit, PHN zu verhindern [30].
Herpes Zoster infolge der Varizellenimpfung (vOKA) ist möglich [31]. Die meisten älteren Kinder und Erwachsenen beherbergen latenten Wildtyp-VZV oder Impfstamm-VZV (vOka). Das Risiko einer Reaktivierung des Impfstamm-VZV bei Kindern ist im Vergleich zur Reaktivierung des Wildtyp-VZV geringer [32]. Die Latenz des vOka-Virus kann in der geimpften Bevölkerung nachgewiesen werden, und seine Reaktivierung führt zu Zoster in einem früheren Alter im Vergleich zu VZV. Die Reaktivierung von vOKA erfolgt oft lumbal und im Dermatom der ursprünglichen Varizellenimpfung [32].
HHV-4 (EBV)
Das Epstein-Barr-Virus (EBV) infiziert 50 % der Kinder vor dem 5. Lebensjahr, und über 90 % aller Erwachsenen sind seropositiv. Der Mensch stellt das Reservoir dar. Nach der Exposition in der Mundhöhle infiziert das EBV die B‑Lymphozyten. Es entwickeln sich morphologisch auffällige (atypische) Lymphozyten, vor allem aus CD8+-T-Zellen, die auf die Infektion reagieren. Eine EBV-Infektion verläuft in der Regel asymptomatisch. Falls doch Symptome auftreten, zeigt sich das Bild einer Mononukleose, mit der Trias Fieber, Pharyngitis (die schwer, schmerzhaft und exsudativ sein kann und an eine Streptokokkenpharyngitis erinnert) und Adenopathie. In manchen Fällen treten auch genitale Erosionen auf.
Ein durch EBV verursachter Hautausschlag während der Mononukleose ist selten. Allerdings können bestimmte Antibiotika in Kombination mit einer EBV-Infektion ein makulopapulöses Exanthem mit Juckreiz am ganzen Körper verursachen, die verschiedene Verlaufsformen bis hin zum gefährlichen Lyell-Syndrom aufweisen können. Aminopenicilline, insbesondere die Breitbandantibiotika Ampicillin und Amoxicillin, rufen in Kombination mit einer EBV-Infektion in bis zu 90 % der Fälle ein Arzneimittelexanthem hervor. Dieses kann auch nach Beendigung der Einnahme des Antibiotikums auftreten und benötigt in der Regel etwa 3 Tage, um sich vollständig über den Körper zu verteilen. Danach klingt es sehr langsam wieder ab, nach etwa 2 Wochen kommt es zur vollständigen Abheilung. Es handelt es sich dabei nicht um eine Allergie, sondern um eine Interaktion von Aminopenicillin und Lymphozyten mit Störung des Arachidonsäurestoffwechsels.
Die orale Haarleukoplakie (OHL) ist eine weißliche Veränderung der Schleimhaut, meist am seitlichen Zungenrand. Sie zeichnet sich durch mehrere Millimeter dicke, weiße, nicht abwischbare Beläge mit wellblechartiger Oberfläche aus, die typischerweise am seitlichen Zungenrand auftreten (Abb. 3). OHL ist meist asymptomatisch und tritt unter Immunsuppression auf, z. B. bei HIV-Infizierten oder Transplantatempfängern. Sie kann eine der ersten Manifestationen von HIV sein, wobei sich bei etwa 80 % der HIV-positiven Patienten, die an OHL leiden, innerhalb von 1 bis 2 Jahren das Vollbild von AIDS entwickelt [33].
Abb. 3
a, b Zwei Beispiele von OHL bei neu diagnostizierten HIV-positiven Menschen
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EBV ist statistisch assoziiert und spielt wahrscheinlich auch kausal eine Rolle bei Burkitt-Lymphom, Hodgkin-Lymphom, nasopharyngealem Karzinom sowie bestimmten Magenkarzinomen und der multiplen Sklerose [34, 35].
HHV-5 (CMV)
Das Zytomegalievirus (CMV) ist die bedeutendste infektiöse Ursache von angeborenen Missbildungen sowie von infektiösen Komplikationen nach Transplantationen. Es wird durch Blut und Körperflüssigkeiten übertragen und führt zu einer lebenslangen latenten Infektion. Die Prävalenz steigt mit dem Alter, wobei 60–90 % der Erwachsenen seropositiv sind. Die Infektion kann sowohl während der Schwangerschaft durch die Plazenta als auch perinatal erworben werden. Zudem kann sie durch transplantierte Organe übertragen werden. Wie alle Herpesviren etabliert CMV eine latente Infektion, in diesem Fall vor allem in CD34+ myeloiden Vorläuferzellen und CD14+ Monozyten.
Bei immunkompetenten Personen verläuft eine CMV-Infektion in den meisten Fällen asymptomatisch oder mit unspezifischen Symptomen wie grippeartigen respiratorischen Beschwerden, Abgeschlagenheit, Fieber und Husten. Gefährlicherweise zeigen Frauen, die sich während der Schwangerschaft mit CMV infizieren, in der Mehrheit (ca. 75 %) keine Symptome. Eine Primärinfektion während der Schwangerschaft stellt jedoch besonders im ersten Trimenon ein hohes Risiko für den Fetus dar. Dabei führt eine Transmissionsrate von etwa 20 % zu Wachstumsverzögerungen und Hörschäden bei über 50 % der Feten.
Besondere Formen:
„Blueberry muffin spots“ sind Hautveränderungen durch extramedulläre Hämatopoese. Sie beschreiben ein Neugeborenes mit multiplen Purpura, die mit verschiedenen gutartigen und bösartigen Zuständen in Verbindung stehen, bei denen zusätzliches Blut in der Haut produziert wird. Dies tritt nach einer Infektion des ungeborenen Babys mit Röteln, Zytomegalievirus, Toxoplasmose oder Coxsackie-Virus auf.
Tiefe Ulzerationen in der Haut oder Mundschleimhaut können bei Patienten mit AIDS oder anderen schweren Immundefizienzen auftreten und sind oft ein Anzeichen einer umfassenderen CMV-Beteiligung der inneren Organe (Abb. 4).
Abb. 4
a−c Beispiel für ein CMV-Ulkus bei einem AIDS-Patienten. Nach Beginn der antiretroviralen Therapie heilten die Läsionen im Verlauf von 2 Monaten ab
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HHV-6 und HHV-7
Diese Viren sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Bis zum Alter von 3 Jahren haben sich praktisch alle Kinder infiziert. Der Mensch stellt das einzige Reservoir dar, und die Übertragung erfolgt sehr wahrscheinlich durch Speichel oder Tröpfcheninfektion. Diese Viren verursachen eine lebenslange Infektion beim Wirt, reaktivieren häufig, und werden in den Speichel ausgeschieden [36].
HHV‑6 etabliert eine latente Infektion in CD34+ Stammzellen und Monozyten sowie eine persistierende Infektion in den Speicheldrüsen. HHV‑7 infiziert CD4+ T‑Zellen, in denen es eine latente Infektion etabliert. Die HHV-6-Spezies sind in zwei Varianten unterteilt: HHV-6A und HHV-6B. HHV-6B und HHV‑7 verursachen das Drei-Tage-Fieber (Exanthema subitum, auch als Roseola infantum oder „Sechste Krankheit“ bekannt), das hauptsächlich im Säuglings- oder frühen Kleinkindalter auftritt. Infektionen mit HHV-6B verlaufen in der Regel mild, und HHV-7-Infektionen sind in der Regel asymptomatisch [36].
Trotz des Fiebers sind die Kinder in der Regel wach und aktiv, es können jedoch auch Fieberkrämpfe auftreten. Häufig entwickelt sich eine zervikale und posterior-aurikuläre Lymphadenopathie. Manchmal ist ein makulopapulöses Exanthem auf der Brust, dem Bauch, dem Gesicht und den Extremitäten zu sehen. Selten treten Enzephalitis oder Hepatitis auf. HHV‑7 und HHV-6B sind auch eine der häufigsten Ursachen von Enzephalitis bei immunsupprimierten Patienten, insbesondere nach allogener Stammzelltransplantation. Darüber hinaus werden Reaktivierungen von HHV‑7, sowie Reaktivierungen der verwandten Spezies humanes Herpesvirus 6A und 6B (HHV-6A und HHV-6B), als mögliche Auslöser der Hauterkrankung Pityriasis rosea diskutiert [37]. Mit der Spezies HHV-6A (dem früheren HHV-6-Subtyp A) konnten bisher keine bestimmten Erkrankungen assoziiert werden.
HHV-8
Im Vergleich zu anderen menschlichen Herpesviren ist die Seroprävalenz von HHV‑8 in der erwachsenen Bevölkerung in Europa relativ gering. In Nordamerika und Europa liegt sie bei etwa 1−3 %, während sie in einigen Gebieten Äquatorialafrikas bis zu 50 % erreicht. In Ländern mit hoher Seroprävalenz ist eine Infektion im Kindesalter häufig, was auf eine wahrscheinliche Übertragung von Mutter auf Kind durch Speichel hindeutet. In Europa ist HHV‑8 hauptsächlich auf immungeschwächte Patienten beschränkt [38].
Die Beteiligung von HHV‑8 gilt als gesichert bei der Entstehung des Kaposi-Sarkoms, des „primary effusion lymphoma“ und bestimmter Formen der multizentrischen Castleman-Erkrankung. Interessanterweise enthält das HHV-8-Genom viele Gene mit hoher Homologie zu zellulären menschlichen Genen (z. B. Interleukin‑6, Cyclin D1, BCL‑2 etc.), wodurch das Virus in der Lage ist, das Zellverhalten auf komplexe Weise zu beeinflussen [39]. Nur eine Teilmenge der Gene wird während der Latenz exprimiert. Hierzu gehört das nukleäre Antigen der latenzassoziierten Region (LANA), welches das einzige virale Protein ist, das für die virale Replikation unentbehrlich ist und für die Diagnose von durch HHV‑8 verursachten Erkrankungen herangezogen wird.
Beim Kaposi-Sarkom entwickeln die Patienten asymptomatische, violette, livide oder rote Makulae, die zu blauvioletten bis schwarzen Plaques und Knötchen auf der Haut (Abb. 5) oder den Mundschleimhäuten werden (Abb. 6). Gelegentlich greifen die Knötchen auf das Weichgewebe über oder treten nach außen hin als exophytische, knotige Läsion in Erscheinung (Abb. 7). Es kann gelegentlich zur Elephantiasis kommen (Abb. 8). Weichteilläsionen können auch in die Knochen eindringen. Wichtig ist, bei Kaposi-Sarkom eine Organbeteiligung des Magen-Darm-Trakts und der Lunge mithilfe einer Computertomographie (CT) von Thorax und Abdomen sowie einer gastrointestinalen Endoskopie auszuschließen. Bei respiratorischen Symptomen ist eine Bronchoskopie indiziert. Das Kaposi-Sarkom kann auch iatrogen entstehen, typischerweise mehrere Jahre nach einer Immunsuppression, wie bei einer Organtransplantation. Der Verlauf kann je nach Ausmaß der Immunsuppression mehr oder weniger aggressiv sein.
Abb. 5
a, b Klassische, scharf begrenzte Makulae oder konfluierende Plaques kennzeichnen die kutane Form des Kaposi-Sarkoms
Abb. 6
a, b Beispiel für die mukokutane Beteiligung des Kaposi-Sarkoms in der Mundschleimhaut
Abb. 7
a−c Beispiel für subkutane oder extrakutane Knoten des Kaposi-Sarkoms
Abb. 8
a, b Beispiel für Elephantiasis beim Kaposi-Sarkom. In diesen Fällen handelt es sich um HIV-positive Patienten mit schlechter Compliance bei der Einnahme antiretroviraler Medikamente
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AIDS-bezogenes Kaposi-Sarkom reagiert auf eine Wiederherstellung des Immunsystems und die Unterdrückung von HIV durch antiretrovirale Therapie. Das Transplantat-Kaposi-Sarkom reagiert ebenfalls auf eine Wiederherstellung des Immunsystems, obwohl das Risiko einer Abstoßung des Transplantats mit einer Verringerung der immunsuppressiven Dosis einhergeht. Ein Wechsel des chemischen Immunsuppressionsregimes von Cyclosporin A zu mTOR-Inhibitoren wie Rapamycin/Sirolimus/Everolimus führt häufig zu einer Regression des Kaposi-Sarkoms, obwohl der genaue Mechanismus nicht klar ist [38]. Was das Kaposi-Sarkom mit Organbeteiligung betrifft, stellt die zytotoxische Chemotherapie mit liposomalem Doxorubicin den Standard der Versorgung dar.
Therapie der Herpesviren
Zugelassene antivirale Herpesmedikamente hemmen die Virusreplikation, beeinflussen jedoch nicht die Latenz. Klinisch relevante Resistenzen treten fast ausschließlich bei immunsupprimierten Patienten auf und betreffen derzeit nur HSV, VZV und CMV. HSV-2-Stämme entwickeln am häufigsten Resistenzen. Mutationen im DNA-Polymerase-Gen und der Thymidinkinase sind die Hauptursachen für eine Resistenz gegen Aciclovir. Stämme mit veränderter Spezifität der Thymidinkinase können gegenüber Penciclovir noch empfindlich sein, jedoch nicht gegenüber Aciclovir. Foscarnet hemmt die virale DNA-Polymerase direkt, ohne auf Phosphorylierung angewiesen zu sein, und kann bei Patienten mit Aciclovir-resistentem HSV oder VZV oder Ganciclovir-resistentem CMV eingesetzt werden (Abb. 9). Die Resistenz gegen Aciclovir ist besonders für immungeschwächte Patienten von Bedeutung, wobei die Rückfallrate insbesondere bei Aciclovir-resistentem HSV‑2 auch höher ist ([40]; Tab. 2).
Abb. 9
a−d Rezidivierender Aciclovir-resistenter Herpes vegetans bei einem HIV-positiven Patienten. Der Patient musste hospitalisiert werden und erhielt eine intravenöse Behandlung mit Foscarnet (40 mg/kg) alle 8 h für 6 Wochen, bis die vollständige Heilung erreicht war
Tab. 2
Übersicht der verfügbaren Therapien für Herpesviren. (Adaptiert nach MDS Manual Ausgabe für medizinische Fachkreise, 2024)
Wirkstoff
Aktivität
Anwendung
Nebenwirkung
Aciclovir
HSV‑1, HSV‑2, VZV und EBV
Minimal CMV
Oral oder intravenös (höherer Medikamentenserumspiegel)
Nierentoxizität
Famciclovir
Wie Aciclovir (Stämme, die gegen Aciclovir resistent sind, sind es auch gegen Famciclovir)
Oral: wie Aciclovir bei Herpes genitalis, besser bioverfügbar als Aciclovir nach oraler Gabe
Selten Kopfschmerzen, Übelkeit, Nierentoxizität
Foscarnet
Aciclovir-resistente HSV- und VZV-Infektion sowie Ganciclovir-resistente CMV
Auch wirksam gegen: EBV, KSHV, humanes Herpesvirus 6, gewisse antiretrovirale Wirksamkeit gegen HIV. Sehr gute ZNS-Gängigkeit
Intravenöse oder intravitreale Injektion: Die Wirksamkeit für Therapie und Progressionsverzögerung ist mit der von Ganciclovir vergleichbar
Renale Toxizität bei bis zu einem Drittel der Patienten, wenn Foscarnet ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr verabreicht wird, Elektrolytenentgleisung
Ganciclovir
Mittel der Wahl bei CMV
Aciclovir-resistente Stämme sind auch kreuzresistent gegen Ganciclovir
Intravenöse Anwendung: Am häufigsten intravitreale Injektion: bei CMV-Retinitis
In erster Linie Knochenmarksuppression, insbesondere Neutropenie
Penciclovir
Wirksam gegen HSV‑1, HSV‑2, VZV und EBV
Topisch (Creme): Wird bei rezidivierendem Herpes labialis bei Erwachsenen verwendet
Erytheme
Valacyclovir (Medikamentenvorstufe von Aciclovir)
Antivirales Spektrum entspricht dem von Aciclovir
Oral: 3- bis 5‑mal besser bioverfügbar als Aciclovir
Ähnlich wie bei Aciclovir
TTP/HUS bei einigen Patienten mit fortgeschrittener HIV-Infektion
Valganciclovir (Medikamentenvorstufe von Ganciclovir)
Entspricht Ganciclovir
Oral: Besser bioverfügbar als orales Ganciclovir
Entspricht jenen von Ganciclovir
Vidarabin (Adeninarabinosid, ara‑A)
Bei HSV-Infektionen
Ophthalmologische Zubereitungen: Wirksam bei einer akuten HSV-1- oder HSV-2-bedingten Keratokonjunktivitis und rezidivierenden oberflächlichen Keratitis
Eine oberflächliche punktförmige Keratitis mit gesteigertem Tränenfluss, Irritationen, Schmerzen und Photophobie
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Impfungen
Die Entwicklung von Impfstoffen gegen Herpesviren ist ein intensiv erforschtes Gebiet von hoher Priorität. Grund dafür sind die enormen Auswirkungen von Herpesviren auf die Sterblichkeitsrate von immunsupprimierten Personen, herpesassoziierte neurologische Entwicklungsverzögerungen sowie Embryopathien [30, 41‐44].
Mit Ausnahme von Varizellen gibt es keine natürliche langanhaltende Immunität gegen Herpesviren
Mit Ausnahme von Varizellen gibt es keine natürliche langanhaltende Immunität gegen Herpesviren in der Latenzphase, und eine durchgemachte Infektion schützt im Allgemeinen nicht vor weiteren Infektionen. Die Impfstoffe zielen daher auf die Verhinderung von Viruslatenz und wiederholten Infektionen ab [45]. Bislang besteht nur für das VZV (sowohl Windpocken als auch Gürtelrose) die Möglichkeit eines wirksamen Schutzes. Zur Verhinderung von HSV-1- und HSV-2-Infektionen sowie von Erkrankungen wurden verschiedene Impfstrategien entwickelt, darunter replikationsdefekte HSV-Impfstoffe, inaktivierte HSV-Impfstoffe, lebend attenuierte HSV-Impfstoffe und Subunit-HSV-Impfstoffe. Keiner dieser Ansätze hat jedoch bisher eine ausreichende Abdeckung erreicht, um zugelassen zu werden [46]. Weitere Kandidaten für EBV [44], Kaposi [43] und CMV [42] befinden sich derzeit in der präklinischen und klinischen Studienphase [41].
Zoster-Impfung
Beobachtungen zeigten eine Zunahme von Inzidenz und Schweregrad von HZ mit dem Alter. Weiters traten Rezidive bei Personen, die Episoden potenzieller exogener VZV-Infektionen ausgesetzt waren, vergleichsweise selten auf [47]. Das führte zur Hypothese, dass die Exposition gegenüber einem abgeschwächten viralen Stamm ausreichen könnte, um vor nachfolgenden Episoden zu schützen [48]. Solche Beobachtungen ebneten den Weg für die Entwicklung einer Impfung, die darauf abzielt, die Reaktivierung und Vermehrung des latenten VZV-Virus zu verhindern, indem die zellvermittelte Immunität gegenüber VZV gestärkt und die Häufigkeit sowie Schwere von HZ reduziert werden.
Derzeit stehen zwei verschiedene Impfstoffe zur Verfügung:
1.
Lebend-attenuierter HZ-Impfstoff („zoster vaccine live“, ZVL; Zostavax®®, Merck & Co.): Dieser Impfstoff enthält denselben lebend-attenuierten Virus vOka/Merck, der in Varivax® verwendet wird, um gegen die Primärinfektion zu immunisieren. Allerdings enthält er über 14-fach mehr plaquebildende Einheiten des attenuierten Virus pro Dosis. Dieser Impfstoff wurde im Oktober 2018 von der FDA für immunkompetente Personen ab 50 Jahren zugelassen. Die Injektion kann einmalig subkutan (s.c.) oder intramuskulär (i.m.) erfolgen.
2.
Adjuvantierter rekombinanter Subunit-Zoster-Impfstoff („recombinant zoster vaccine“, RZV) (Shingrix®®; GSK): Dieser Impfstoff enthält das Antigen gE (Glykoprotein E). Dabei handelt es sich um das am häufigsten vorkommende Glykoprotein auf der Oberfläche von VZV, das häufigste Antigen in VZV-infizierten Zellen und das Hauptziel für die VZV-spezifische CD4+ T‑Zellantwort [49]. Dieser Impfstoff enthält auch ein liposombasiertes Adjuvans (AS01). Er wurde im Oktober 2017 von der FDA für die klinische Anwendung zugelassen und von der Europäischen Kommission im Jahr 2018. Shingrix® ist seit Herbst 2021 in Österreich erhältlich. Es erfordert zwei intramuskuläre (IM) Injektionen, wobei die zweite Dosis 2 bis 6 Monate nach der ersten verabreicht wird.
Shingrix® hat mehrere Einschränkungen von Zostavax® adressiert, darunter eine begrenzte Wirksamkeit, insbesondere bei Personen über 70 Jahren, eine beschränkte Dauer der Schutzwirkung und Sicherheitsrisiken für immungeschwächte Personen [50]. Präklinische Studien haben gezeigt, dass RZV im Vergleich zu ZVL eine stärkere und länger anhaltende Immunantwort bei Personen jeden Alters induziert [51], sowohl zellvermittelt als auch humoral. Eine Netzwerk-Metaanalyse deutete darauf hin, dass RZV im Vergleich zu ZVL überlegen war, um die Inzidenz von Herpes Zoster (Wirksamkeit mindestens 10 Jahre) und postherpetischer Neuralgie bei Patienten über 60 Jahren zu reduzieren [52, 53].
Der Lebendimpfstoff Zostavax® verliert nach wenigen Jahren an Wirksamkeit und ist daher nicht mehr die erste Wahl. Er ist jedoch immer noch erhältlich und eine Option für Patienten über 50 Jahren ohne Immunschwäche sowie für Patienten mit Kontraindikationen gegen Shingrix® (siehe unten).
Indikation der Zoster-Impfung
Die Zoster-Impfung ist bei jeder immunkompetenten Person ab 50 Jahren indiziert, unabhängig von der bisherigen Geschichte von Varizellen, HZ oder Impfungen. Für diese Indikation können sowohl RZV als auch ZVL verwendet werden, da ZVL nur für Personen ab 50 Jahren zugelassen ist. Hinsichtlich des Zeitpunkts der zweiten Dosis ist zu beachten, dass im Falle einer verzögerten Verabreichung von Shingrix® (d. h. mehr als 6 Monate nach der ersten Dosis), die zweite Dosis jederzeit verabreicht werden kann. Allerdings ist die Wirksamkeit des Impfstoffs in dieser Situation nicht ganz geklärt. Wenn die zweite Dosis weniger als 4 Wochen nach der ersten erhalten wird, sollte die zweite Dosis mindestens 4 Wochen nach der zu früh verabreichten Dosis wiederholt werden.
Bei Personen mit schweren Grunderkrankungen und/oder schwerer Immunsuppression wird empfohlen, die Impfung mit RZV ab 18 Jahren durchzuführen, unabhängig von der Anamnese von Zoster/Varizellen und dem serologischen Status.
Insbesondere Patienten mit reduzierter T‑Zell-vermittelter Immunität haben ein erhöhtes Risiko für eine VZV-Reaktivierung. Dazu gehören Transplantatempfänger, Patienten, die bestimmte Immunmodulator-Therapien erhalten, Patienten, die mit Chemotherapie und/oder Kortikosteroiden behandelt werden, und Patienten mit stabiler HIV-Infektion (CD4-T-Zellzahl ≥ 200/mm3). Die Indikation betrifft auch Personen mit chronischen Nierenerkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes mellitus.
Bei Personen, die einen verkürzten Impfplan benötigen, beispielsweise im Rahmen einer geplanten Immuntherapie, kann die zweite Dosis 1 bis 2 Monate nach der ersten Dosis verabreicht werden. Einige immungeschwächte Patienten haben möglicherweise kein erhöhtes Risiko für Herpes Zoster (z. B. Patienten mit beeinträchtigter Milzfunktion). Bei solchen Patienten ist der Impfansatz im Allgemeinen der gleiche wie bei immunkompetenten Erwachsenen.
Der inaktivierte HZ-Impfstoff Shingrix® ist nicht für die Vorbeugung einer primären Varizelleninfektion zugelassen, sondern für die Prävention von Herpes Zoster und postzosterischer Neuralgie. Unter besonderen Umständen kann jedoch bei seronegativen Personen mit seltenen angeborenen Immundefekten nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung eine Grundimmunisierung mit Shingrix® zur Prophylaxe einer primären Varizelleninfektion durchgeführt werden (unter erweiterter Aufklärung, off-label).
Lokal- und Systemreaktionen
Obwohl RZV eine höhere Inzidenz von Nebenwirkungen hat, die den Alltag beeinträchtigen können, ist dies in der Regel kein Grund, ZVL zu wählen. Die mit RZV beobachteten Nebenwirkungen lösen sich in der Regel innerhalb von 1 bis 3 Tagen und äußern sich durch Schmerzen an der Injektionsstelle, Myalgie (44,7 %), Müdigkeit (44,5 %), Kopfschmerzen (37,7 %), Schüttelfrost (26,8 %), Fieber (20,5 %) und gastrointestinale Symptome (17,3 %) [52, 53]. Solche Nebenwirkungen verhindern in den meisten Fällen nicht, dass Personen die RZV-Impfserie abschließen. Die Netzwerk-Metaanalyse, die RZV und ZVL vergleicht, fand keinen Unterschied in der Rate schwerwiegender unerwünschter Ereignisse [53].
Kontraindikationen
Im März 2021 hat die FDA Änderungen an der Sicherheitskennzeichnung für Shingrix® angeordnet, um vor dem Risiko des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) nach der Verabreichung von Shingrix® zu warnen. In einer Beobachtungsstudie wurde ein erhöhtes Risiko für GBS innerhalb der ersten 42 Tage nach der Impfung mit Shingrix® festgestellt. Die FDA hat nicht festgestellt, ob die Ursache für GBS auf Shingrix® zurückzuführen ist, sondern nur, dass es eine Verbindung gibt [54].
Derzeit sollte Shingrix® bei Patienten mit einer früheren GBS-Anamnese vermieden werden. ZVL ist auch eine Alternative für Personen, die allergisch auf einen der Bestandteile von RZV reagieren, sowie für solche, die ein Risiko für RZV-assoziierte Komplikationen haben (z. B. Patienten mit einer Vorgeschichte von Guillain-Barré-Syndrom). RZV wurde bei schwangeren Personen nicht untersucht. Wenn jedoch eine Impfung mit RZV angezeigt ist, ist es vernünftig, diese unabhängig vom Stillstatus durchzuführen, da rekombinante Impfstoffe grundsätzlich kein bekanntes Risiko für stillende Mütter oder ihre Säuglinge darstellen.
Infobox Auf einen Blick
Herpesviren verursachen eine extreme Vielfalt klinischer Erscheinungsbilder.
Humanpathogene Herpesviren haben die einzigartige Fähigkeit, eine latente Infektion in verschiedenen Zellen zu etablieren.
Der rechtzeitige Beginn einer antiviralen Therapie ist bei symptomatischer Reaktivierung von großer Bedeutung.
Es ist entscheidend, den Immunstatus der Patienten zu überprüfen, um schwere Verläufe zu vermeiden.
Shingrix® ist die bevorzugte Impfung gegen Zoster, sowohl für immunkompetente (> 50 Jahre) als auch für immungeschwächte Patienten (> 18 Jahre).
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
S. Saluzzo gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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