Bei der nächsten Jahrestagung (Salzburg, 29.5.–1.6.2024) wollen wir auch dem Thema „Leadership in der Medizin“ Raum geben und ich möchte vorab mit Ihnen ein paar Gedanken darüber teilen.
HowLettery / Getty Images / iStock
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Einige von uns können sich noch erinnern: Die Spitalsstrukturen in den 80er und beginnenden 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren geprägt von gefühlt allmächtigen Führungspersonen, welche nicht nur fachlich, sondern auch im Bereich des Personal- und Ressourcenmanagements herausragende Positionen einnahmen.
Veränderte ärztliche Führungskultur
Begleitet war dies durch eine sogenannte Ärzteschwemme mit langen Wartezeiten für Ausbildungsstellen, noch kaum zur Verfügung stehenden digitalen medizinischen Informationsquellen und einer sehr liberal gehandhabten Ärztearbeitszeit. Wer einen Job bekam, war bereit – ohne Wenn und Aber – 60 Wochenarbeitsstunden und mehr zu akzeptieren. Der Chef war oft synonym mit einer Klinik, Spitalskarrieren waren durch dieses patriarchale Umfeld geprägt. Heute befinden wir uns in einer gänzlich veränderten Spitalswelt: Weniger Absolvent:innen des Medizinstudiums, rigorose Implementierung des neuen Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG 2015) und digitale Wissensrevolution in der Medizin – um nur einige Punkte zu nennen – haben auch die ärztliche Führungskultur nachhaltig verändert.
Hohe Kompetenzen im Team
Auch heute tragen leitende Ärzt:innen die klinische Letztverantwortung. Ziel einer modernen Klinikstruktur muss es aber sein, auf Basis der evidenzbasierten Medizin höchsten Wert auf die Befähigung von Mitarbeiter:innen zu legen, sodass die Kompetenzen in möglichst hohem Maß auf das Team verteilt sind. Dazu gehört, dass die Ärzt:innen die Autonomie haben, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu tragen und dadurch eine Kultur des Vertrauens und der Zusammenarbeit zu fördern. Dies erfordert strukturierte Feedback-Mechanismen und umfassende Qualitätsstandards.
Klare und authentischeKommunikation
Sinnvolle Innovationen müssen ebenso gefördert werden wie die Beteiligung an klinischer Forschung, um ein zukunftsfähiges Grundgerüst in der Abteilung zu verankern. Voraussetzung ist, dass moderne Führungskräfte klar und authentisch kommunizieren, egal ob es darum geht, neue Projekte zu vermitteln, Feedback zu geben oder Krisen zu bewältigen.
Es ist sicher ein Vorteil für leitende Ärzt:innen, wenn sie bei einigen klinischen Fertigkeiten in vorderer Position dabei sind. Die Mitarbeiter:innen sollen davon profitieren, sich daran orientieren und weiterentwickeln können. Ziel muss es sein, dass wichtige klinische Programme nicht nur von einzelnen, sondern von mehreren Mitarbeiter:innen getragen werden können, um die Resilienz der Abteilung zu erhöhen.
Wertschätzende Kultur
Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, erfordert dies ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit. Führungskräfte müssen den Wandel annehmen und ihre Abteilung hindurchführen. Moderne Führungskräfte zeigen Widerstandsfähigkeit und gehen mit gutem Beispiel voran, wenn es darum geht, mit Widrigkeiten umzugehen und einen positiven Ausblick zu bewahren.
Helfen kann dabei eine Abteilungskultur, die den Wert unterschiedlicher Perspektiven anerkennt und in der sich Mitarbeiter:innen aus allen Hierarchieebenen wertgeschätzt einbringen können. Die Aufrechterhaltung bzw. Weiterentwicklung dieser Kultur ist gelebte Führungsaufgabe.
Nicht zuletzt sollen Führungskräfte auch Botschafter nach innen und außen für ihre Abteilungen sein: Dies beinhaltet das Engagement in Gremien und Fachverbänden genauso wie das Engagement in Lehre und Fortbildung.
Patient:innen im Fokus
Eine Konstante in all dem Wandel ist die zentrale Aufgabe eines leitenden Arztes/einer leitenden Ärztin: stetig alle Abläufe und Prozesse in einer Abteilung auf eine möglichst hohe Patientenorientierung hin zu überprüfen. Denn schließlich ist das Patientenwohl unsere Legitimation. Das Zusammenspiel aller bisher genannten Aufgaben zielt auf eine adäquate medizinische Versorgung ab.
Weiterbildung und Entwicklung der Führungskräfte
Die Liste ließe sich noch um etliche Punkte erweitern: Fest steht, um diesen Anforderungen annähernd gerecht zu werden, müssen moderne Führungskräfte großen Wert auf ihre eigene Weiterbildung und Entwicklung legen.
In diesem Sinne hoffe ich auf spannende Diskussionen bei unserer Jahrestagung!
Prim. PD Dr. Georg Delle Karth (Klinik Floridsdorf Wien, Co-Ordination)
privat