04.10.2024 | case report
Intrafamiliäre Gewalt im Kontakt- und Sorgerechtsverfahren – Ein Fall von Kindeswohlgefährdung im Familiengericht – Wo greifen Maßnahmen zum Kinderschutz?
Erschienen in: neuropsychiatrie | Ausgabe 4/2024
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Vor dem Hintergrund, der seit 30 Jahren bestehenden Diskussion in der Medizin und den Rechtswissenschaften um unbegründete Anschuldigungen und das Vorliegen von begründetem Verdacht auf intrafamiliäre Gewalt in Kontakt- und Sorgerechtsverfahren wird ein Beitrag gebracht, der die Bedeutung der Fokussierung auf den Kinderschutz durch alle Professionist: innen betont.
Der Beitrag beschreibt anhand eines Fallberichts im Zusammenhang mit der Handreiche des Bundesministeriums für Justiz „Umgang mit Gewalt im Sorgerechts- und Kontaktrechtsverfahren“ die Relevanz des Kinderschutzes in der österreichischen Rechtsprechung und mit welchen Mitteln er untergraben wird. Im Namen der Wissenschaftlichkeit werden ideologische Diagnosen anstatt evidenzbasierter Behandlungsdiagnosen verwendet [1]. „Fachkräfte aus Gesundheitswesen, Jugendhilfe, Justiz und Pädagogik sollten im Kinderschutz mit dem Ziel kooperieren, Kindesmisshandlung, -missbrauch und/oder -vernachlässigung als solche zu erkennen, festzustellen und zu beenden (vgl. § 3 KKG) [2].“
Im Rahmen der Praxis der Rechtsprechung werden Behandler: innen im psychosozialen, psychosomatischen und psychotherapeutischen Feld jedoch häufig nicht als Zeug: innen anerkannt, weil sie von Elternteilen oder Patient: innen selbst beeinflusst seien. In Österreich obliegt die Beweiswürdigung dem/der Richter: in und es besteht die Annahme, dass Behandler: innen keine objektive Position ihren Patient: innen und deren Angehörigen gegenüber einnehmen können. Daher sind fachärztliche oder psychologische Gutachter: innen von entscheidender Bedeutung. Sie haben sich bei ihrer Beeidigung der Objektivität und Unparteilichkeit in der Befundaufnahme und der Orientierung an wissenschaftlichen Prinzipien und Standards („state of the art“) und deren Anwendung sowie zur kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung bei Gutachtenserstellung verpflichtet [3].
Im konkreten Fall handelt es sich um ein Kind mit den Diagnosen Posttraumatische Belastungsstörung nach mutmaßlicher sexualisierter Gewalt, Einkoten und Einnässen im Zusammenhang mit den traumatischen Erlebnissen.
Es wird der Zusammenhang von Gewaltsituationen mit kinderpsychiatrischen Krankheitsbildern und der Verlauf des Sorgerechts- und Kontaktrechtsverfahrens beschrieben. Relevante Rechtsgüter wie der Kindeswille, das Kindeswohl, Bindungstoleranz und Gewaltschutz werden thematisiert und zur Diskussion gestellt. Es werden Themen wie häusliche, psychische, sexualisierte, institutionelle Gewalt sowie intimer Terror dargestellt.
Der Fallbericht stellt ein Beispiel dar, an dem kinderpsychiatrisch fachärztlich relevante Punkte der im Jänner 2024 herausgekommenen Handreiche des Bundesministeriums für Justiz „Umgang mit Gewalt im Sorgerechts- und Kontaktrechtsverfahren“ abgehandelt werden. Sie stellt eine Richtlinie für Professionist: innen im Bereich der Verfahrensleitung, Begutachtung und Behandlung dar.
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