Helicobacter pylori und Magenkrebsrisiko

H. pylori triggert besonders dann Magentumoren, wenn Gendefekte die homologe DNA-Rekombination stören, etwa bei BRCA-Mutationen. Mit dieser Kombination erkrankt fast jeder Zweite. Ohne solche Keimbahnmutationen ist der Keim weit weniger gefährlich. Saiful52 / stock.adobe.com × Forschende aus Japan haben ein weiteres Puzzlestück zur Entstehung von Magenkrebs gelöst: Ihren Analysen zufolge ist der Keim Helicobacter pylori vor allem für Menschen gefährlich, die Mutationen in Genen zur homologen DNA-Reparatur wie BRCA, ATM und PALB2 aufweisen. Treffen H.-pylori-Infektion und Keimbahnmutation zusammen, beträgt das Lebenszeitrisiko für ein Magenkarzinom rund 46%, ohne solche Mutationen sind es bei einer Infektion lediglich 14%. Für Menschen ohne H. pylori liegt das Lebenszeitrisiko unter 5%, egal ob sie solche Mutationen haben oder nicht.1 Nach diesen Resultaten ist Magenkrebs zu einem größeren Teil erblich bedingt als bisher angenommen. So war vor allem die Beteiligung des E-Cadherin-Gens (CDH1) beim sehr seltenen hereditären diffusen Magenkarzinom bekannt. Träger einer CDH1-Mutation haben ein Erkrankungsrisiko von 40% bis 80%. Bei DNA-Reparaturdefekten manifestiert sich das erhöhte Magenkrebsrisiko aber fast nur in Kombination mit einer H.-pylori-Infektion. Jedoch sind DNA-Reparaturdefekte recht selten, was wohl ebenfalls ein Grund dafür ist, dass der Zusammenhang erst jetzt erkannt wurde. Neun Genvarianten steigern das Magenkrebsrisiko Für die Analyse hat ein Team um Dr. Yoshiaki Usui vom RIKEN-Zentrum für Integrative Medizinwissenschaften in Yokohama Proben von rund 10.400 Personen mit Magenkrebs sowie etwa 38.000 ohne diese Erkrankung ausgewertet. Alle stammten aus dem japanischen BioBank-Projekt und ermöglichten eine umfassende Genotypisierung. Zudem standen ihnen Proben aus einer Klinikdatenbank von 1.433 Magenkrebskranken sowie knapp 6000 Kontrollpersonen zur Verfügung, alle hatten sich einem H.-pylori-Test unterzogen (IgG- plus Pepsinogentest). 86% der Krebskranken sowie 46% der Gesunden waren infiziert. Zunächst schauten die Forschenden nach der Prävalenz von 27 bekannten Krebsrisikogenen bei gesunden sowie an Magenkrebs erkrankten Personen in BioBank. Als signifikant wurden Unterschiede zwischen beiden Gruppen definiert, wenn sie die übliche Fehlerwahrscheinlichkeit von 5% geteilt durch 27 unterschritten (Alphafehlerkorrektur), was pro Gen auf eine Fehlerwahrscheinlichkeit von höchstens 0,19% hinausläuft. Nach dieser Definition waren pathogene Varianten in 9 der 27 Gene bei Magenkrebskranken signifikant häufiger zu finden als unter Gesunden. Neben CDH1 waren dies BRCA1 und BRCA2, ATM, MLH1, PALB2, APC, MSH6 und MSH2. So ergab sich für die beiden pathogenen BRCA-Varianten eine fünffach höhere Prävalenz unter Krebskranken als unter Gesunden (1,0% versus 0,2% für BRCA2). Diese beiden Varianten zeigten sich in der Population am häufigsten. Varianten in MLH1 und APC wurden unter Krebskranken 14-fach häufiger beobachtet als unter Gesunden, traten in der Summe aber sehr selten auf. Insgesamt waren pathogene Varianten in den neun Genen bei 2,7% der Krebskranken und 0,6% der Gesunden nachweisbar. Personen mit pathogenen Varianten waren bei der Krebsdiagnose im Schnitt zehn Jahre jünger als Krebskranke ohne solche Varianten; CDH1- und APC-Mutationen gingen mit einem besonders frühen Krankheitsbeginn einher. In der Klinikdatenbank wiesen 36 Personen (2,5%) mit Magenkrebs und 72 ohne (1,2%) Varianten in den neun Genen auf. Das Team um Usui schaute nun nach dem Infektionsstatus der Betroffenen. Dabei ergab sich primär ein Zusammenhang mit vier der neun Gene (BRCA1/2, ATM, PALB2), allesamt in die homologe DNA-Reparatur involviert. Das ist insofern plausibel, als H. pylori DNA-Doppelstrangbrüche induziert, die primär per homologer Rekombination repariert werden. Mutationen in einem dieser vier Gene gingen bei H.-pylori-Infizierten mit einem 22,5-fach erhöhten Magenkrebsrisiko, bei nicht infizierten noch mit einem 1,7-fach erhöhten Risiko einher – verglichen mit Nichtinfizierten ohne Mutationen. Knapp 23-fach erhöhtes Magenkrebsrisiko Anhand der Prävalenz in der Bevölkerung berechneten die Forschenden das Lebenszeitrisiko für Magenkrebs: Bis zum Alter von 85 Jahren erkranken demzufolge knapp 46% der infizierten Mutationsträger, 14% der Infizierten ohne Mutation sowie jeweils weniger als 5% der Nichtinfizierten, egal ob sie Risikomutationen haben oder nicht. Das Risiko durch solche Mutationen manifestiert sich also praktisch nur in Kombination mit einer H.-pylori-Infektion. Andere Magenkrebs-Risikofaktoren wie Rauchen, Adipositas oder Alkoholkonsum schienen die Krebsgefahr bei den Mutationsträgern dagegen nicht wesentlich zu steigern. Erklärt wird der Zusammenhang über eine Eigenschaft, die vor allem bei asiatischen H.-pylori-Stämmen auftritt: Über eine spritzenähnliche Struktur, das T4-Sekretionssystem (T4SS), injiziert der Keim das Onkoprotein CagA sowie den immunstimulatorischen Metaboliten ADP-Heptose direkt ins Zytosol von Magenepithelzellen. Dadurch werden Mechanismen aktiviert, die zu Doppelstrangbrüchen im Zellkern führen. Diese werden normalerweise wieder vollständig repariert, was bei Trägern von Mutationen in Genen für die homologe DNA-Reparatur aber nicht gut funktioniert. Sie weichen auf alternative, mutationsträchtige nichthomologe Reparaturmechanismen aus, was das Krebsrisiko drastisch erhöht. In einem Editorial zu der Publikation sprechen Dr. Anne Müller und Dr. Jiazhuo He vom Institut für Molekulare Krebsforschung der Universität Zürich daher von einem „Doppelwumms fürs Magenkrebsrisiko“ bei Mutationsträgern mit H. pylori. Eine Konsequenz daraus wäre eine konsequente Eradikation des Keims bei solchen Personen. Referenz: 1.) Usui Y et al.: Helicobacter pylori, Homologous-Recombination Genes, and Gastric Cancer. New Engl J Med 2023; 388: 1181-1190 https://doi.org/10.1056/NEJMoa2211807 Quelle: springermedizin.de

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