Die thiopurinbasierten Immunsuppressiva AZA und 6‑MP werden auf dem Gebiet der Gastroenterologie und Hepatologie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED; sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa) und bei der Autoimmunhepatitis angewendet. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Vaskulitiden. Dabei werden die Immunsuppressiva zumeist in der Erhaltungstherapie eingesetzt [
24,
25]. Thiopurine weisen eine hohe Nebenwirkungsrate (in 10–29 % der Fälle) auf [
26]. Es können dosisabhängige Nebenwirkungen (Knochenmarksuppression, Hepatotoxizität) und idiosynkratische, dosisunabhängige Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, AP) unterschieden werden [
10,
11]. Das Nebenwirkungsprofil von AZA wurde sowohl in retrospektiven als auch prospektiven Studien am häufigsten bei Patientinnen und Patienten mit CED untersucht. Die Inzidenz der Azathioprin-induzierten AP beträgt rund 7 % bei Patientinnen und Patienten mit CED, wie eine 2016 publizierte deutsche prospektive multizentrische Registerstudie zeigen konnte [
5,
27]. 43 % der Patientinnen und Patienten wurden hospitalisiert und die mediane Krankenhausaufenthaltsdauer betrug 5 Tage. Die Verläufe waren mild und es waren keine invasiven Interventionen nötig [
5]. Auch in anderen Studien werden zumeist milde Verläufe bei Patientinnen und Patienten mit CED beschrieben, Berichte zu letalen Folgen liegen in dieser Patientengruppe nicht vor [
5,
24,
28,
29]. AZA-induzierte akute Pankreatitiden treten in der Regel in den ersten Wochen der Therapie (Median: 22 Tage nach Einleitung) auf [
28]. Als Pathomechanismus der AZA-induzierten AP wird eine Hypersensitivitätsreaktion angenommen [
5,
24]. In mehreren Studien erscheint das Risiko für die Entwicklung einer AZA-induzierten AP bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn im Vergleich zu jenen mit Colitis ulcerosa deutlich höher [
5,
30]. Die Ursache dafür ist weitgehend ungeklärt, wobei eine gewisse genetische Prädisposition existieren dürfte: In Multizenterstudien konnte gezeigt werden, dass Polymorphismen der HLA-Gene mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer AZA-induzierten AP assoziiert sind. Bei homozygotem Vorliegen der Allelvariante ist das Risiko zur Entwicklung einer AZA-induzierten Pankreatitis mit 17 % deutlich erhöht [
28,
31]. Nach Berechnung der Autoren müssten jedoch 76 Patientinnen und Patienten getestet werden, um einen Fall einer AP zu verhindern. Eine routinemäßige Anwendung dieser molekulargenetischen Testung scheint im Hinblick auf die milden Verläufe der AP-Episoden und die Komplexität des Tests nicht zielführend. Darüber hinaus scheint auch die Blutgruppe B mit einem erhöhten Risiko einherzugehen [
32]. Risikofaktoren für die Entwicklung einer AP während der Behandlung mit AZA sind neben der Grunderkrankung und der individuellen Genetik der aktive Nikotinabusus und die Therapie mit Glukokortikoiden [
5,
32]. Beim Auftreten einer AZA-induzierten AP kann die Umstellung auf eine Therapie mit 6‑MP in Erwägung gezogen werden. In Fallserien bei pädiatrischen Patientinnen und Patienten wurde die Umstellung gut toleriert und es kam in der Mehrheit der Fälle zu keiner neuerlichen AP [
33]. Zudem konnte sowohl in retrospektiven als auch prospektiven Studien gezeigt werden, dass eine Therapieumstellung auf 6‑Thioguanin, nach vorausgegangener AP unter einer AZA- oder 6‑MP-Therapie, zu keiner neuerlichen AP-Symptomatik führt [
34,
35].
Die Immuncheckpointinhibitoren sind Antikörper, die sich gegen als Immuncheckpoint wirkende Proteine richten. Pembrolizumab und Nivolumab zählen zu den Inhibitoren von „programmed cell death 1“ (PD-1), Atezolizumab gehört zur Gruppe der Inhibitoren von „programmed death-ligand 1“ (PD-L1).
Ein weiterer Vertreter der Immuncheckpointinhibitoren ist der Antikörper gegen „cytotoxic T‑lymphocyte-associated protein 4“ (CTLA-4) Ipilimumab, der das CTLA-Protein 4 hemmt und auf diesem Weg eine vermehrte Proliferation der T‑Zellen bewirkt. Der antitumorale Wirkmechanismus besteht in der Induktion einer T‑Zell-vermittelten Immunantwort gegen Tumorzellen. Weiters gibt es Präparate, die zusätzlich eine tumorspezifische Interaktion mit dem Immunsystem auslösen [
39]. Das Nebenwirkungsprofil umfasst ein breites Spektrum an immunologischen Komplikationen in unterschiedlichen Organen [
40]. Dabei zählt die medikamentös induzierte Pankreatitis zu den seltenen Nebenwirkungen. In einer retrospektiven Studie mit Patientinnen und Patienten, die eine Kombinationstherapie mit Nivolumab und Ipilimumab erhielten, wurde die asymptomatische Lipaseerhöhung der akuten Pankreatitis gegenüber gestellt. Neben der häufigen (~25 % der Patientinnen und Patienten zeigten eine Serumlipase >2-fach des oberen Normwerts) und klinisch asymptomatischen nicht einer akuten Pankreatitis entsprechenden Lipaseerhöhung kam es bei lediglich rund 2 % der untersuchten Patientinnen und Patienten zum Auftreten einer AP [
41]. In einer Zusammenfassung von 14 Phase-I- bis Phase-III-Studien betreffend Ipilimumab in der Melanomtherapie kam es bei lediglich <1 % der Patienten zur Entwicklung einer AP [
42]. Atezolizumab als weiterer Vertreter der Immuncheckpointinhibitoren weist mit 0,1 % ein noch geringeres Risiko für eine AP auf [
43]. In einer 2018 publizierten Metaanalyse von 15 klinischen Studien über Immuncheckpointinhibitoren in der Therapie solider Tumoren konnte ebenso gezeigt werden, dass CTLA-4-Inhibitoren alleine und die Kombination von CTLA-4- und PD-1-Inhibitoren zu einer asymptomatischen Erhöhung der Serumlipase führen können. Demgegenüber war das relative Risiko zum Auftreten einer AP nicht signifikant erhöht bei Subgruppen mit Immuncheckpointinhibitoren verglichen mit den Kontrollgruppen (herkömmliche Chemotherapien; [
44]).