Eine antitumorale Behandlung mittels Monoklonalen Antikörpern, zum Beispiel dem EGFR Inhibitor Cetuximab, kann unter anderem Haut- und Nagelveränderungen verursachen. Diese werden von Patientinnen und Patienten als sehr belastend wahrgenommen. Bedingt durch die Haut- und Nagelveränderungen kommt es zu einer Körperbildveränderung, ebenso können Einschränkungen im Alltag damit einhergehen. Das Auftreten der Haut- und Nagelveränderungen verläuft phasengerecht, wobei es jedoch Phasen gibt, in denen die Patientinnen und Patienten frei von Symptomen sind oder Veränderungen schubhaft wieder auftreten können.
Der Leitspruch der AHOP-Frühjahrstagung 2023 lautete „Neue Wege suchen“ und kann auf die Tätigkeit als Cancer Nurse übertragen werden. Als Pflegeperson mit vertieftem Fachwissen in der onkologischen Pflege, sowie langjähriger Berufserfahrung gehe und suche ich mit meinen Patientinnen und Patienten stets neue Wege. Oft begleite, informiere, schule und berate ich sie durch ihren gesamten Behandlungsweg und auch im palliativen Setting. Prävention durch Edukation ist hierbei ein essenzielles Thema und das tägliche Werkzeug.
Die Patientinnen und Patienten trifft die Cancer Nurse in unterschiedlichen Phasen der Behandlung mit dem EGFR Inhibitor Cetuximab an. Die klinische Beurteilung des Hautzustandes vor Therapiebeginn und eine anschließende Informationsweitergabe geeigneter Pflegeprodukte der Haut und Nägel ist bedeutsam. Das Wissen des Zeitraums, in dem Haut- und Nagelveränderungen auftreten können und wie sich diese darstellen, hilft Überforderung zu vermeiden. Patientinnen und Patienten sind vorbereitet, wissen wie sie selbst agieren und wann sie sich professionelle Unterstützung holen sollen. Sie fühlen sich nicht ausgeliefert, sind bestens informiert und vorbereitet. Weiters trägt präventive Patientenedukation durch Erläuterung der Ursache für das Auftreten von Haut- und Nagelveränderungen, zu einem besseren Verständnis und zur Therapieadhärenz bei. Therapieabbrüche und stationäre Aufnahmen können vermieden bzw. reduziert werden. Das Thema Körperbildveränderung wird frühzeitig thematisiert und durch geeignete Haut- und Nagelpflegeprodukte kann die Lebensqualität verbessert werden, z.B. wenn nachts kein Juckreiz mehr besteht und der Patient erholsam schlafen kann.
Unerwünschte Hautreaktionen
Zu den unerwünschten Hautreaktionen zählen
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_ das akneiforme Exanthem — „Rash“
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_ Juckreiz
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_ Hauttrockenheit
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_ Fissuren/akrale Rhagaden
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_ sowie Photosensitivität und
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_ Hyperpigmentierung.
Etwa zwei Wochen nach Therapiebeginn kann es zum Auftreten eines
akneiformen Exanthems kommen. Hierbei unterscheiden sich zwei Arten — papulopustulöses oder makulopapulöses Exanthem. Bei einem papulopustulösen Exanthem kommt es zu einem Ausbruch von Papeln und Pusteln im Gesicht, auf der Kopfhaut, am Hals, hinter den Ohren, am Dekolleté und am Rücken, d.h. überall dort, wo Talgdrüsen vorkommen und an Sonnenlicht exponierten Hautbereichen. Das makulopapulöse Exanthem stellt sich durch Flecken und Papeln vor allem am Oberkörper dar und kann mit Juckreiz verbunden sein. Bildlich betrachtet, entspricht es einem masernartigen Ausschlag. Diese Hautveränderung ist reversibel und es kann zu einem Rückgang unter der laufenden Therapie kommen. Nach Therapiebeendigung, nach vier bis sechs Wochen, kommt es zu einem vollständigen Abklingen ohne Narben.
Im Rahmen der Patientenedukation werden den Patientinnen und Patienten pH-neutrale, feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte ohne Duftstoffe, aber mit Urea empfohlen. Ein vorsichtiges Abtrocknen im Sinne von Abtupfen nach dem Duschen mit lauwarmem Wasser ist empfehlenswert, sowie ein regelmäßiger Handtuchwechsel. Das Tragen von luftdurchlässiger, locker sitzender Kleidung aus Baumwollfaser und/oder Seide reduziert das Schwitzen und verhindert übermäßigen Wärmestau. Patienten wird vorsichtiges Rasieren empfohlen und der Hinweis gegeben, kein Aftershave zu verwenden, da dieses die Haut zusätzlich reizen könnte. Eine Sonnenlichtexposition sollte möglichst vermieden werden, auf jeden Fall sollte eine Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor aufgetragen werden.
Pruritus (Juckreiz) kann jederzeit unter der Behandlung mit monoklonalen Antikörpern auftreten und mit Hauttrockenheit einhergehen. Im Anschluss an die Hautreinigung empfiehlt sich das Auftragen von rückfettenden, ph-neutralen Lotionen ohne Duftstoffe und Alkohol. Das Lagern der Pflegeprodukte im Kühlschrank und Auftragen der dadurch kühlen Lotionen ist eine weitere Maßnahme, Juckreiz zu lindern. Kühle, feuchte Umschläge und Coolpacks haben sich ebenso bewährt. Die Haare sollten lauwarm beziehungsweise kalt geföhnt werden, um eine zusätzliche Hautreizung zu vermeiden. Bei Haarverlust sollten Betroffene an das Auftragen von rückfettenden Lotionen auf die kahle Kopfhaut denken. Ein Aussetzen der UV-Strahlung sollte möglichst vermieden werden, wenn dies nicht möglich ist, sind entsprechende Produkte mit hohem Lichtschutzfaktor anzuwenden.
Hauttrockenheit (Xerodermie) kann einige Wochen nach Therapiebeginn auftreten und klingt innerhalb von vier Wochen nach Therapiebeendigung ab. Xerodermie stellt sich als aufgerautes, schuppendes, sprödes Hautbild dar. Der betroffenen Haut fehlt es an Elastizität und die Hauttextur ist dünn und pergamentartig. Davon betroffen sind vor allem die Extremitäten und die Hände. Es kann eventuell zu einem chronischen Austrocknungsekzem führen. Die Hauttrockenheit ist oft kombiniert mit Fissuren, Entzündungen und Juckreiz. Ergänzend zu den oben genannten Pflegemaßnahmen, ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von 1,5 bis 2,0 Liter pro Tag empfehlenswert, um der Hauttrockenheit entgegenzuwirken.
Fissuren/akrale Rhagaden sind schmale, spaltförmige Einrisse durch alle Hautschichten, eventuell bis in die Subkutis reichend. Diese Hautveränderung entwickelt sich etwa zehn bis zwölf Wochen nach Therapiebeginn und klingt innerhalb von vier Wochen nach Therapiebeendigung ab. Häufig treten Fissuren an den Fingerkuppen, aber auch an den Fersen auf. Dies geht oft mit einer Einschränkung im Alltag einher, da jeder Handgriff und jeder Schritt schmerzen kann. Linderung können die Verwendung von Sprühpflastern und Hydrokolloid-Verbänden bringen. Letztere dürfen nur angewendet werden, wenn keine Infektion besteht, und können mehrere Tage belassen werden. Dickes, großzügiges Auftragen von rückfettenden Pflegecremen oder Wund- und Heilsalben abends auf die betroffenen Stellen und das Anziehen von Baumwollhandschuhen beziehungsweise -Socken erweist sich als effektiv. Ein zuvor durchgeführtes lauwarmes Hand- und/oder Fußbad ermöglicht durch die Hautaufweichung ein besseres Einziehen der Pflegeprodukte. Vom Tragen enger Schuhe ist abzuraten, hingegen ist das Tragen von Schutzhandschuhen bei Haushaltstätigkeiten beziehungsweise Gartenarbeit empfehlenswert.
„Patientenedukation ist für die gesamte Therapiedauer essenziell und es bedarf einer ständigen Evaluation der gesetzten Maßnahmen.“
Photosensitivität und Hyperpigmentierung setzt etwa drei bis acht Wochen nach Therapiebeginn ein, oft ist ein spontanes Verblassen möglich. Mit einem Abklingen ist erst Monate oder Jahre nach Therapiebeendigung zu rechnen. Bei der Hyperpigmentierung handelt es sich um eine Störung, die durch übermäßige Pigmentablagerung gekennzeichnet ist und sich in einer Verdunklung der Haut manifestiert. Diese kann sich lokalisiert oder generalisiert darstellen und sowohl an der Haut, den Schleimhäuten und den Nägeln auftreten. Diese Pigmentveränderungen sind oft harmlos und benötigen keiner Therapie. Eine Sonnenlichtexposition kann die Hyperpigmentierung verstärken und sollte gemieden werden. Ist dies nicht möglich, so ist es ratsam, eine Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor anzuwenden. Das Tragen einer Kopfbedeckung und dicht gewebter Kleidung ist empfehlenswert, um vor übermäßiger Sonnenstrahlung zu schützen.
Ergänzend zu den erwähnten Hautreaktionen können ebenso Nagelveränderungen auftreten. Hierbei kann es zu einer Nagelwallentzündung (Paronychie), brüchigen Nägeln (Onychoklasie) und/oder zu einer Ablösung der Nagelplatte vom Nagelblatt (Onycholyse) kommen. Es ist bedeutsam, Patientinnen und Patienten darauf hinzuweisen, dass diese Nagelveränderungen reversibel sind und die Nägel nach Therapieende wieder wachsen und stabiler werden.
Eine Nagelwallentzündung ist primär nicht infektiös und ähnelt einem eingewachsenen Nagel. Sie stellt sich zuerst als schmerzhafte Rötung des Nagelfalzes dar und im weiteren Verlauf können sich Granulome bilden, häufig betroffen ist der Großzehennagel. Superinfektionen mit Eiterbildung sind möglich und bedürfen einer ärztlichen Behandlung. Diese Nagelveränderung tritt etwa acht Wochen nach Therapiebeginn auf und es kommt zu einer vollständigen Abheilung nach Therapieabschluss. Im Rahmen der Patientenedukation werden Patientinnen und Patienten u.a. informiert, einengende Schuhe und Socken zu meiden, sowie das Barfußgehen, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren.
Die Nägel sollten gerade geschnitten beziehungsweise gefeilt werden, dabei gilt es, die Ecken nicht abzurunden. Die Verwendung einer Glasfeile oder hölzernen Einweg-Nagelfeile ist einer Metallfeile vorzuziehen, da diese weniger rau sind und die empfindlichen Nägel weniger reizen. Als wirkungsvoll erweist sich vor dem Feilen ein etwa fünfminütiges lauwarmes Hand- und/oder Fußbad, um die Nägel aufzuweichen und das Feilen sanfter zu gestalten. Die Nägel sollten dabei von unten nach oben gefeilt, sowie stets immer in die gleiche Richtung gearbeitet werden, ein Hin- und Herfeilen begünstigt das Reißen der Nägel. Die Nagelhaut sollte nicht allzu sehr zurückgeschoben und nicht abgerissen werden. Die Nägel und der Nagelfalz sollen täglich gesäubert und gecremt werden. Eine podologische Maniküre beziehungsweise Pediküre kann in Erwägung gezogen werden und vorbestehende Nagelerkrankungen, wie Nagelpilz, sollten fachgerecht saniert werden.
Eine Störung des Wachstums an der Nagelwurzel führt zu brüchigen Nägel. Diese Veränderung tritt erst einige Monate nach Therapiebeginn auf und klingt einige Monate nach Therapiebeendigung ab. Für Patientinnen und Patienten stellt dies oft ein belastendes, kosmetisches Problem dar und kann zu Einschränkungen beziehungsweise Behinderungen im Alltag führen. Nägel reißen ein, spalten sich auf, splittern längsfasrig ein oder blättern vom Rand her ab. Vor der Pflege dieser empfindlichen Nägel empfiehlt sich, ein lauwarmes Fuß- und/oder Handbad zu machen, anschließend werden die Nägel vorsichtig gefeilt und abschließend rückfettende Cremen, mit Urea zum Beispiel, oder Nagelöl vorsichtig einmassiert. Ergänzend ist das Tragen von Baumwollhandschuhen beziehungsweise -Socken über Nacht empfehlenswert. Das Auftragen eines Nagelhärters nach der Reinigung stärkt die brüchigen Nägel. Das Auftragen von Kunstnägeln hingegen ist nicht empfehlenswert, da die Klebstoffe Hautreizungen auslösen können, bestehende Kunstnägel sollten Betroffene auswachsen lassen. Des Weiteren sollte kein einengendes Schuhwerk getragen werden. Bei brüchigen Nägeln auch eine podologische Maniküre beziehungsweise Pediküre in Erwägung ziehen.
Der Verlust des gesamten oder eines Teils eines Nagels stellt für Patientinnen und Patienten ein noch mehr belastendes kosmetisches Problem dar und führt zu Einschränkungen beziehungsweise Behinderungen im Alltag. Diese Reaktion tritt erst einige Monate nach Therapiebeginn auf und klingt einige Monate nach Therapiebeendigung ab. Im Rahmen der Patientenedukation werden mit den Patientinnen und Patienten Maßnahmen besprochen, wie jener der brüchigen Nägel und Nagelwall- Entzündungen.