Mit der EM und Olympia zieht eine Welle der Begeisterung durch die Generation, die einst selbst am Ball war. Viele haben ihre Jugendträume längst gegen die Couch eingetauscht. Lässt sich die alte Liebe wiederbeleben?
Natascha Kral
Wissenschaftliche Daten belegen den Wert körperlicher Betätigung in allen Lebensphasen, vor allem im Alter. Ab dem 50. Lebensjahr verliert der Mensch jährlich ein bis zwei Prozent seiner Muskelmasse und wird zunehmend instabiler und unsicherer in seiner Bewegung. Eine Untersuchung im Auftrag des Gesundheitsministeriums zeigt, dass ältere Menschen immer gebrechlicher werden und dass der Anteil der über 65-Jährigen, die ihr Alltagsleben nicht mehr selbst bewältigen können, innerhalb der vergangenen fünf Jahre deutlich gestiegen ist. Lebenslange körperliche Aktivität, Freude an der Bewegung und soziale Kontakte sind wesentliche Faktoren, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Die Ärzte Woche hat bei drei Sportarten ein Schnupperpraktikum absolviert und sich informiert, ob diese auch noch als gereifter Erwachsener erlernt und praktiziert werden können. Beim Rudern beeindruckten die Schnelligkeit und Eleganz, mit der die Boote durch das Wasser ziehen. Aikido, eine japanische Kampfsportart, erwies sich als die große Kunst, komplexe Bewegungsabläufe und auch das Fallen, Abrollen und Wiederaufstehen fließend und leicht aussehen zu lassen. Die Wiener Walking-Football-Mannschaft begeisterte mit ihrer Spiellust, ihrem Teamgeist und ihrem freundschaftlichen Umgang im Match und in der dritten Halbzeit. Neben der sportlichen Betätigung stand bei allen drei Vereinen der Gemeinschaftsgedanke und die Geselligkeit im Vordergrund. Diese analogen sozialen Netzwerke sind in Zeiten der immanenten Krisen ein stabilisierender Faktor für das eigene Leben, die körperliche und seelische Gesundheit. Denn, wie es ein spätberufener Sportler formulierte, man ist nie zu alt, etwas Neues zu beginnen und neue Freunde zu finden.
Ingeborg Hirsch
Diabetes-, Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduziert
Andreas Kral, Präsident des Wiener Ruderverbandes und Vizepräsident des Wiener Ruderclubs Donaubund
Natascha Kral
„Rudern ist eine Sportart, die man ein ganzes Leben lang ausüben kann. Das spiegelt sich auch in unserer Vereinsstruktur wider, denn wir haben nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene, die zu rudern beginnen. Mit dem Jahr, in dem man seinen 27. Geburtstag feiert, fällt man beim Rudern in die Kategorie der Masters, die durch einen nachgesetzten Buchstaben noch weiter altersmäßig differenziert wird. Während die normale Renndistanz 2.000 m beträgt, gilt für Masters-Ruderer eine Strecke von 1.000 m, und das Training ist so aufgebaut, dass man diese Distanz körperlich und mental gut bewältigen kann. Mittlerweile starten bei internationalen Regatten auch 90-jährige Ruderer, die an solchen Masters-Bewerben teilnehmen, und hoffen, im Wettkampf noch auf eine zahlreiche Gegnerschaft zu treffen. Viele Ruderer messen sich gerne im Wettbewerb. Wir veranstalten beim Ruderclub Donaubund bei der Sprintregatta gemischte Rennen, bei denen Männer und Frauen im Team fahren. Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich die Familienwettbewerbe, bei welchen generationsübergreifend gemeinsam gerudert wird. Neben der sportlichen Komponente ist ein Verein ein wunderbarer Anknüpfungspunkt für gemeinsame Aktivitäten. Wir freuen uns über Menschen, die sich engagieren und bei Regatten mitmachen. Rudern ist ein verletzungsfreier Sport. Dadurch, dass wir ihn früh am Morgen ausüben, ist das Kollisionsrisiko mit anderen Wassersportlern – schließlich sitzen wir verkehrt im Boot und haben nur eine eingeschränkte Sicht – gering. Rudern ermöglicht ein perfektes Ausdauer- und Krafttraining, das den gesamten Körper miteinbezieht und durch die fehlende Sprung- und Gewichtsbelastung die Gelenke schont und ihre Langlebigkeit unterstützt. Die gesamte Muskulatur wird gestärkt und das Osteoporose-Risiko reduziert. Auch die naturnahe Umgebung beim Training im Freien wirkt sich positiv aus und ermöglicht der Lunge das Abatmen von Feinstaub. Der Bewegungsablauf beim Rudern ist komplex und es fällt einigen Anfängern nicht leicht, diesen koordiniert auszuführen, daher kann es unterschiedlich lange dauern, bis man die Technik erlernt. Manche benötigen ein paar zusätzliche Trainingseinheiten, aber es hat noch jeder geschafft. Allerdings ist es wichtig, die Bewegung von Anfang an korrekt auszuführen, weil dies Fehlbelastungen der Wirbelsäule entgegenwirkt. Gesamt betrachtet ist Rudern ein eleganter Sport, der Spaß, Wettbewerb und gesundheitliche Aspekte verbindet und bis ins hohe Alter praktiziert werden kann.“
Andreas Kral, Präsident des Wiener Ruderverbandes und Vizepräsident des Wiener Ruderclubs Donaubund
Die dritte Halbzeit ist fixer Bestandteil des Spiels
Marko Marjanovic, BSc, Sportwissenschaftler der ASKÖ im Bereich für Fitness und Gesundheitsförderung und betreuender Trainer des Walking Football Teams beim WAT Wien
ASKÖ
„Walking Football ist eine Fußballvariante, die vor allem für Menschen, die älter sind, nicht mehr so gut laufen können oder mit Gelenkproblemen kämpfen, sehr gut geeignet ist. Beim Walking Football ist Laufen verboten, d. h. es muss sich immer ein Fuß am Boden befinden – Regelverstöße werden mit einem Freistoß geahndet. Beim Walking Football bestehen die Mannschaften aus zweimal sechs Spielern, wobei es keinen Torhüter gibt. Es wird auf ein Meter hohes und drei Meter breites Tor gespielt und die Spieldauer beträgt im Normalfall 4 × 12 Minuten. Die einzelnen Spielteilnehmer dürfen jederzeit ausgewechselt werden. Als oberstes Motto gilt, den Ball flach zu halten, denn es darf nur bis in Hüfthöhe gespielt werden, um Verletzungen im Kopfbereich vorzubeugen. Entwickelt wurde diese Spielvariante 2011 in England, wo mittlerweile nahezu jeder größere Fußballverein auch über eine Walking-Football-Sektion verfügt. In Österreich wurde erstmals vor etwas mehr als einem Jahr in Wien eine Walking-Football-Gruppe aufgebaut, in der Frauen und Männer gleichermaßen willkommen sind und im selben Team spielen. Fußballvorkenntnisse sind nicht notwendig, im Vordergrund stehen Freude an der Bewegung und am gemeinsamen Spiel; während Fouls und Gegnerkontakt verboten sind. Die Gruppe trainiert regelmäßig unter professioneller Anleitung und hat auch schon erste internationale Spiele bestritten. Walking Football ist ein ideales Bewegungs-, Koordinations- und Ausdauertraining, dazu kommt die gesellschaftliche Komponente. Denn viele ältere Menschen tun sich schwer, neue Freunde für gemeinsame Aktivitäten zu finden. Wir alle freuen uns auf die dritte Halbzeit, die wir nach dem Spiel gemeinsam verbringen.
Als Beispiel für die positiven Auswirkungen von Walking Football möchte ich die Geschichte unseres Teamspielers M. erzählen, der als junger Mann Fußball gespielt hat, bis er aufgrund von beruflichen und familiären Verpflichtungen immer mehr vom Sport abgekommen ist. Der nun 60-Jährige hat ein künstliches Hüftgelenk und wog, als er bei uns zu spielen begann, nahezu 130 kg. Mittlerweile trainiert M. regelmäßig, hat mehr als 20 kg abgenommen und seine zuvor überhöhten Blutwerte haben sich normalisiert. M. sagt heute von sich selbst, dass er sich körperlich und geistig viel reger fühlt, Vergnügen am gesunden Leben gewonnen hat und auch in 20 Jahren noch Fußball spielen möchte.“
Marko Marjanovic, BSc, Sportwissenschaftler der ASKÖ im Bereich für Fitness und Gesundheitsförderung und betreuender Trainer des Walking Football Teams beim WAT Wien
Aikido lässt Bewegungen leicht und fließend aussehen
Peter Moser, Sportdirektor des Österreichischen Fachverbandsfür Fernöstliche Kampfsportarten und Trainer
privat
„Die westliche Sicht auf Kampfsport ist sehr durch Hollywood-Filme geprägt, die beeindruckende und gut choreografierte Bilder liefern, aber mit einem echten Kampf oft weniger zu tun haben. Bei japanischen Kampfkünsten wie Aikido wird die Angriffsenergie des Gegners aufgenommen oder vorbeigeleitet, sodass dieser durch eine Halte- oder Wurftechnik aus dem Gleichgewicht und zu Fall gebracht wird. Bei den japanischen Kampfkünsten steht mehr der Weg zum Sieg im Mittelpunkt als der Sieg selbst, wie in manchen anderen (auch asiatischen) Kampfsportarten. Diese Entwicklung ist langwieriger und zielt stärker darauf ab, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Es gilt, mit dem eigenen Stress während der kämpferischen Auseinandersetzung zurechtzukommen und das Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung zu beherrschen. Wenn jemand das Beste, das er in dieser Situation zu leisten vermag, umgesetzt hat, hat er für sich bereits gewonnen. Die Bewegungsabläufe bei Aikido sind komplex und müssen regelmäßig geübt werden, um sie zu internalisieren. Die korrekte Ausführung der einzelnen Schritte minimiert das Verletzungsrisiko, dazu kommen eine große Achtsamkeit und das gegenseitige Vertrauen. Denn wer seinen Gegner verletzt, verliert auch gleichzeitig seinen Trainingspartner. Das Training löst vorhandene Bewegungsmuster auf und setzt sie neu zusammen. Das fördert die Beweglichkeit und Koordination, aber auch die Konzentration und das körperliche und geistige Wohlbefinden. Unter unseren Aikido-Schülern haben wir einen guten Altersmix. Meist beginnen interessierte Erwachsene zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr mit dieser Kampfkunst, unsere älteste Schülerin ist 75 Jahre alt. In unserer Schule werden mehrere Disziplinen wie der Kampf mit dem Schwert (jap. Iaido/Kendo) oder dem Stock (jap. Jodo) praktiziert, die weniger körperbetont sind. Durch Aikido werden Gleichgewicht, Koordination, die Schnelligkeit der Reflexe und richtiges Fallen laufend trainiert. Sportarten, die diese Fertigkeiten fördern, helfen uns im Alltag sicherer zu werden, weil der Körper auf rutschigem Untergrund wieder schneller in Balance gelangt und ein Sturz leichter vermieden werden kann. Darüber hinaus ist Krafttraining wichtig, weil die Muskeln mit fortschreitendem Alter abbauen. Die Kniebeuge ist eine wunderbare Übung, die sehr viele Muskeln auf einmal trainiert und im Falle eines Sturzes hilft, Gewicht abzufangen. All das und den Spirit der Partnerschaftlichkeit und Fairness kann man in der Kampfkunst als Gesamtpaket trainieren.“
Peter Moser, Sportdirektor des Österreichischen Fachverbands für Fernöstliche Kampfsportarten und Trainer