Ein halbes Jahrzehnt lang filmt der Aktivist Basel Adra in seinem Dorf, das einem israelischen Truppenübungsplatz weichen und zerstört werden soll. Mit dem Film hofft er, mehr Aufmerksamkeit zu erregen als durch Posts in sozialen Medien – und das gelingt ihm auch. Der Film, ein Akt des kreativen Widerstands, erhielt auf der Berlinale 2024 den Preis für den besten Dokumentarfilm.
No Other Land. Die Protagonisten des Films Basel Adra und der investigative Journalist Yuval Abraham.
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Der Dokumentarfilm des vierköpfigen Aktivisten-Teams verfolgt die allmähliche Auslöschung mehrerer Gemeinden in Masafer Yatta im seit 1967 besetzten Westjordanland. Soldaten räumen die Häuser von palästinensischen Familien, die danach dem Erdboden gleichgemacht werden. Dabei begegnet der Aktivist und erste Protagonist des Films, Basel Adra, einem Israeli, der sich seinem Kampf anschließt: Yuval Abraham. Der Investigativjournalist schreibt über Zwangsräumungen und Siedlergewalt.
Masafer Yatta ist eine karge, gebirgige Gegend. Die Dorfbewohner leben von der Landwirtschaft, viele wohnen in Steinbauten und Höhlen. Im Jahr 1980 erklärte das israelische Militär das Land von Masafer Yatta zur „geschlossenen militärischen Übungszone“. Für Palästinenser war es damit offiziell tabu. 1999, drei Jahre nach Basels Geburt, befahl das israelische Militär die Räumung der rund 20 Dörfer im Gebiet.
20 Jahre Widerstand
Die palästinensischen Bewohner – mit Basels Eltern und Verwandten an der Spitze – wehrten sich. Eine Demonstration folgte auf die andere. Und sie wandten sich unter anderem an eine Gruppe israelischer Anwälte, die im Jahr 2000 vor dem Obersten Gerichtshof Israels eine Petition gegen die Zwangsvertreibung einreichten. Nach einem zwei Jahrzehnte andauernden Rechtsstreit gab der Gerichtshof 2022 aber dem Militär grünes Licht für die Durchführung der Vertreibung.
Basel Adra erläuterte seine Motivation für den Streifen beim New York Film Festival: „We wanted something bigger than social media and magazines. So we decided to make this movie.“
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Klare Parteinahme
Israel wird ausschließlich in der Rolle der Besatzer dargestellt, als militärische Bedrohung der tapferen palästinensischen Zivilbevölkerung. In einander ähnelnden Filmsequenzen rollen Bulldozer über die baumlosen Hügel, flankiert von vermummten Soldaten. Häuser werden zerstört und nach ihrem Wiederaufbau wieder niedergewalzt.
„Gewöhn dich ans Scheitern“, sagt Basel zu Yuval. Der zweite Hauptprotagonist des Films wird als „Menschenrechtsisraeli“ bezeichnet; in Israel wird der Journalist hingegen als „Vaterlandsverräter“ beschimpft. Die Beziehung zwischen den beiden Gleichaltrigen ist eine ungleiche: Basel lebt unter einer militärischen Besatzung, darf weder wählen noch reisen, während sich Yuval ungehindert und frei bewegen kann.
Ungleiche Freunde
Als Basel Adra 2024 in seiner Dankesrede auf der Berlinale, wo er den Dokumentarfilmpreis erhielt, forderte, dass Deutschland keine Waffen mehr an Israel liefern solle, ergriff auch Yuval Abraham das Wort: „In two days we will go back to a land where we are not equal.“
Freilich: Der Dokumentarfilm ist parteiisch; nimmt die Perspektive der Vertriebenen ein. Zeigt ihre Verzweiflung, wenn sie mit bloßen Händen gegen die Räumung ihrer Dörfer demonstrieren und dabei von Soldaten zurückgedrängt werden. Der Streifen leuchtet einen Aspekt des Nahost-Konflikts aus – den alltäglichen Kampf um die Landnutzung und begrenzten Siedlungsraum –, der in den Nachrichten kaum Erwähnung findet.
Die Dokumentation zeigt aber auch den liebevollen Umgang der Dorfbewohner mit ihren Kindern und führt, bei aller Perspektivlosigkeit vor, dass die handelnden Personen ihren Humor nicht verloren haben. Da lacht sogar der Esel, sagt Yuval an einer Stelle, wenn sein Freund Basel davon spricht, einfach wegzugehen.
Das Filmhaus am Spittelberg zeigt den Film No Other Land am 30. Jänner um 18.15 Uhr.