1. Zur Induktionstherapie bei biologikanaiven Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa sind TNF-α-Inhibitoren und Vedolizumab gleich wirksam.
GEMINI I, die placebokontrollierte Zulassungsstudie für Vedolizumab bei Colitis ulcerosa, ist eine Induktions- und Erhaltungsstudie mit insgesamt 895 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa nach Therapieversagen mit zumindest einer konventionellen Therapie (Glukokortikoide, Azathioprin, 6‑Mercaptopurin) oder einem TNF-α-Inhibitor. Die Wirksamkeit der Induktionstherapie wurde nach 6 Wochen bzw. 2 Gaben des Präparats evaluiert. Patienten, die Vedolizumab erhielten, hatten im Vergleich zu Placebo zur Woche 6 ein signifikant besseres klinisches Ansprechen (47 % vs. 26 %;
p < 0,001) sowie eine höhere Rate an klinischer Remission (17 % vs. 5 %;
p = 0,001) und „mucosal healing“ (41 % vs. 25 %;
p = 0,001). Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den GEMINI-Daten um ein teilweise (48 %) mit TNF-α-Inhibitoren vorbehandeltes Kollektiv handelt [
5].
Auch in den Zulassungsstudien für Infliximab bei Colitis ulcerosa, ACT I und ACT II, wurde die Überlegenheit von Infliximab gegenüber Placebo in Hinsicht auf die Ansprechraten zu Woche 8 demonstriert. Ein Ansprechen konnte in 69 % bzw. 65 % der Patienten, die mit einer Dosis von 5 mg/kg KG behandelt wurden, beobachtet werden. Der Unterschied zur Placebogruppe (37 % bzw. 29 % Ansprechen) war statistisch signifikant (
p < 0,001). „Mucosal healing“ zu Woche 8 wurde in 62 % bzw. 60 % der mit Infliximab behandelten Patienten beobachtet [
6].
Für Adalimumab wurde in der ULTRA-II-Studie anhand von 518 Colitis-ulcerosa-Patienten die Überlegenheit des Präparats im Vergleich zu Placebo gezeigt. Ansprechen (50 % vs. 35 %), Remission (17 % vs. 9 %) und „mucosal healing“ (41 % vs. 32 %) wurden signifikant öfter in der Adalimumabgruppe zu Woche 8 beobachtet [
7,
8].
Die Zulassung für Golimumab für die Behandlung der Colitis ulcerosa erfolgte aufgrund der Daten der PURSUIT-Studie. Die Ansprechraten mit 51 % zu Woche 6 in der Gruppe 200/100 mg waren im Vergleich zu 30 % bei Placebo signifikant höher (
p < 0,001). Auch klinische Remission und „mucosal healing“ wurden in der Golimumabgruppe signifikant öfter beobachtet (
p < 0,0014; [
9]).
Berücksichtigt man nur TNF-naive Patienten, zeigten sich für Infliximab Ansprechraten zu Woche 8 von 69 % (ACT I) bzw. 65 % (ACT II), für Adalimumab von 55 % (ULTRA I) und 59 % (ULTRA II) sowie für Golimumab (PURSUIT) zu Woche 6 von 51 % und für Vedolizumab (GEMINI I) von 53 %. „Mucosal healing“ wurde mit Infliximab bei 62 % bzw. 60 %, mit Adalimumab bei 47 % bzw. 49 %, mit Golimumab bei 42 % und mit Vedolizumab bei 49 % der TNF-naiven Patienten erreicht (Tab.
1; [
5‐
10]).
Tab. 1
Ansprechen und „mucosal healing“ bei TNF-naiven Colitis-ulcerosa-Patienten in den Zulassungsstudien zu Woche 6 bzw. Woche 8 [
5‐
10]
Infliximab | ACT I + ACT II | 69 bzw. 65 | 62 bzw. 60 |
Adalimumab | ULTRA I + II | 55 bzw. 59 | 47 bzw. 49 |
Golimumab | PURSUIT | 51 | 42 |
Vedolizumab | GEMINI I | 53 | 49 |
Cholapranee et al. verglichen in einem rezent publizierten systematischen Review die Studiendaten der TNF-α-Inhibitoren und von Vedolizumab mittels einer Metaanalyse. Hierbei zeigt sich, dass Vedolizumab zur Induktion eines „mucosal healing“ nach 6–12 Wochen genauso effektiv ist wie Golimumab (OR 1,15 [0,51–2,61]), Adalimumab (OR 1,42 [0,70–2,94]) und Infliximab (OR 0,63 [0,29–1,41]). Alle Therapien waren einem Placebo überlegen [
11].
Selbiges Ergebnis brachte eine Metaanalyse von Danese et al. Auch hier zeigten sich keine weiteren signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit der TNF-α-Inhibitoren im Vergleich zu Vedolizumab bezogen auf klinisches Ansprechen, die Remissionsrate und das „mucosal healing“ bei Colitis-ulcerosa-Patienten [
12].
Als Ausnahme zu oben genannten Daten muss hier die fulminante Colitis ulcerosa gesehen werden. Hierzu liegen keine Daten für Vedolizumab vor und die Gabe von intravenösen Kortikosteroiden sowie bei Versagen der Einsatz von Infliximab, Tacrolimus oder Cyclosporin sind laut ECCO-Leitlinie die State-of-the-Art-Therapien für diese Indikation [
2].
Als Limitation muss zu allen genannten Daten angemerkt werden, dass Head-to-head-Studien mit direktem Vergleich der Biologika untereinander weiterhin fehlen und dass somit die Patientencharakteristika der verschiedenen, in den Reviews inkludierten Studien unterschiedlich sind und die Studien aus diesem Grund nicht uneingeschränkt vergleichbar sind.
2. In der Erhaltungstherapie bei Patienten mit Colitis ulcerosa mit initialem Response auf die verabreichte Biologikatherapie ist Vedolizumab den TNF-α-Inhibitoren möglicherweise überlegen.
In der GEMINI-I-Studie wurden Patienten, die auf die Vedolizumabtherapie zu Woche 6 angesprochen haben, in einem 1:1:1-Verhältnis neuerlich randomisiert. Die erste Gruppe erhielt nur Placebo, Gruppe 2 Vedolizumab alle 4 Wochen und Gruppe 3 Vedolizumab alle 8 Wochen. Patienten, die initial nicht auf die Vedolizumabtherapie angesprochen haben, erhielten Vedolizumab alle 4 Wochen als Erhaltungstherapie. Als primärer Endpunkt war die klinische Remission zu Woche 52 definiert. Der Endpunkt wurde in beiden Verumpatientengruppen signifikant öfters erreicht als in der Kontrollgruppe (Vedolizumab 8-wöchentlich: 41,8 %; Vedolizumab 4-wöchentlich: 44,8 %; Placebo: 15,9 %; [
5]). Im Vergleich hierzu liegen die Woche-52- bzw. -54-Remissionsdaten für Infliximab (ACT I) bei 35 % für die 5‑mg/kg-KG-Kohorte, für Adalimumab bei 17 % (ULTRA II) und für Golimumab bei 34 % (PURSUIT) [
6,
13,
14]. Einschränkend muss zu diesen Daten allerdings erwähnt werden, dass in den Vedolizumab- und Golimumabzulassungsstudien nur die initialen Responder auf das Präparat (bei Vedolizumab 47 %, bei Golimumab 51 %, jeweils zu Woche 6) in die 52- bzw. 54-Wochen-Analysen einflossen, während in ACT I und ULTRA II sämtliche initial eingeschlossene Patienten bis Woche 52 bzw. 54 verfolgt wurden. Des Weiteren waren in ULTRA II und PURSUIT Dosisadaptierungen erlaubt.
Vergleicht man die Langzeitdaten der am Markt befindlichen Biologika aus den Zulassungsstudien in Hinblick auf das „mucosal healing“ bei TNF-naiven Patienten nach 52 bzw. 54 Wochen, erkennt man einen Trend für einen Vorteil von Vedolizumab gegenüber den TNF-α-Inhibitoren: Infliximab: 46 % (ACT I; [
6]), Adalimumab: 31 % [
13], Golimumab: 42 % [
14], Vedolizumab: 60 % [
10]. Beim Vergleich zum „mucosal healing“ gelten dieselben Einschränkungen bezüglich der Vergleichbarkeit der Studien wie für die Remissionsraten.
In einem rezenten systematischen Review verglichen Vickers et al. die Langzeitdaten der am Markt befindlichen Biologika zur CED-Therapie anhand von 5 Studien. Hierbei zeigte Vedolizumab in Bezug auf das klinische Langzeitansprechen nach 52 bzw. 54 Wochen signifikante Vorteile gegenüber den TNF-α-Inhibitoren Infliximab (OR 3,18 [1,14–9,20]), Golimumab (OR 2,33 [1,04–5,41]) und Adalimumab (OR 3,96 [1,67–9,84]). Auch in Hinblick auf „mucosal healing“ war Vedolizumab Infliximab (OR 2,43 [0,87–6,66]) tendenziell und Adalimumab (OR 3,21 [1,33–7,35]) signifikant überlegen [
15].
Diese Ergebnisse werden von Cholapranee et al. ebenfalls unterstützt. In Bezug auf den Erhalt des „mucosal healing“ zeigte Vedolizumab tendenziell bessere Ergebnisse als Infliximab (OR 1,17 [0,35–3,84]), Adalimumab (OR 2,23 [0,79–6,04]) und Golimumab (OR 2,19 [0,69–6,96]; [
11]).
Weiters zeigten auch Faleck et al. in einem bisher nicht veröffentlichen Abstract auf der ECCO 2018, dass bei 334 Colitis-ulcerosa-Patienten signifikant mehr Patienten nach 12 Monaten in der Vedolizumabgruppe eine klinische Remission (54 % vs. 37 %; HR 1,54 [1,08–2,18]) und ein „mucosal healing“ (50 % vs. 42 %, HR 1,73 [1,10–2,73]) hatten als Patienten unter TNF-α-Inhibitor-Therapie [
16]. Einschränkend muss man aber in Erinnerung rufen, dass es sich dabei um keine prospektive randomisierte Head-to-Head-Studie handelt.
In einem Simulationsmodell mit 100.000 Patienten zur Identifizierung des idealen Einsatzzeitpunkts von Vedolizumab zur Therapie der Colitis ulcerosa konnte rezent gezeigt werden, dass der frühe Einsatz von Vedolizumab vor anderen Therapieoptionen einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Letztlinieneinsatz vor Kolektomie sowohl in Hinsicht auf die Remissionsrate als auch auf das Infektions- und Lymphomrisiko bringt. Je länger der Simulationszeitraum war, desto mehr kamen die Vorteile von Vedolizumab zum Tragen [
17].
3. In der Erhaltungstherapie bei biologikanaiven Patienten mit Morbus Crohn bietet Vedolizumab im Allgemeinen vergleichbare Remissionsraten gegenüber anderen Biologikatherapien. Dies ist jedoch nicht für die Induktionstherapie zutreffend.
In einer Post-hoc-Analyse der Studien GEMINI II und III für Vedolizumab bei Morbus Crohn wurden insgesamt 1476 Patienten eingeschlossen. Es wurden sowohl TNF-α-Therapieversager (960 Patienten) als auch TNF-naive Patienten (516 Patienten) inkludiert. Eine klinische Remission zu Woche 6 zeigten 22,7 % (TNF-naiv) bzw. 13,3 % (TNF-vorbehandelt), zu Woche 52 waren es 48,9 % bzw. 27,7 % [
18].
Danese et al. zeigten auf der ECCO 2018 in der VERSIFY-Studie, dass nach 26 Wochen ein Viertel der Patienten unter Vedolizumabtherapie ein endoskopisches Ansprechen zeigt, mit Vorteil für TNF-naive Patienten (28 % vs. 22 % bei mit TNF-vorbehandelten Patienten). Zu einer vollständigen endoskopischen Heilung kommt es bei 24 % (TNF-naiv) bzw. 7 % (TNF-Versager) der Patienten [
19].
In einem Review über 9 Studien mit insgesamt 2530 Patienten konnten Singh et al. betreffend die Induktionstherapie bei biologikanaiven Patienten mit Morbus Crohn zeigen, dass Vedolizumab Infliximab (OR 0,23 [0,06–0,78]) unterlegen und nicht signifikant unterschiedlich zu Adalimumab (OR 0,47 [0,13–1,75]) und Ustekinumab (OR 0,43 [0,09–2,23]) war. Nach einem Jahr Therapie mit Biologika bei Patienten mit initialem Ansprechen auf die jeweilige Therapie konnte bei Vedolizumab kein signifikanter Unterschied in der Wirksamkeit zu den anderen Präparaten festgestellt werden: Infliximab (OR 0,67 [0,06–5,64]), Adalimumab (OR 0,43 [0,05–3,36]), Ustekinumab (OR 0,87 [0,07–11,36]) [
20].
Eine weitere Metaanalyse zu diesem Thema liegt von Hazlewood et al. vor. In dieser wurde Vedolizumab sowohl in der Induktion der Remission als auch in der Erhaltung dieser mit Infliximab, Adalimumab und Infliximab plus Azathioprin verglichen. Daten von Ustekinumab wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht berücksichtigt. Das Ergebnis zeigte, dass Vedolizumab in der Induktion zwar besser wirksam war als Placebo (OR 2,0 [1,2–3,3]), aber den anderen Präparaten tendenziell unterlegen war: Infliximab (OR 0,70 [0,25–1,5]), Adalimumab (OR 0,67 [0,33–1,5]), Infliximab plus Azathioprin (OR 0,47 [0,18–1,1]). In der Erhaltungstherapie zeigten sich für Vedolizumab Nachteile gegenüber Adalimumab (OR 0,42 [0,22–0,58]) und Infliximab plus Azathioprin (OR 0,42 [0,17–0,92]) und kein signifikanter Unterschied zu einer Infliximabmonotherapie (OR 0,77 [0,39–1,5]; [
21]).
Ein etwas anderes Ergebnis zeigt ein ECCO-Abstract des heurigen Jahrs von Bohm et al. bei 538 nach Alter, Geschlecht, Hospitalisierungsrate, Strikturen, penetrierenden Komplikationen, Voroperationen, Krankheitsschweregrad, Steroidrefraktärität und TNF-Versagen gemachten Morbus-Crohn-Patienten. In dieser Kohorte hatten mit Vedolizumab behandelte Patienten signifikant höhere Raten an „mucosal healing“ (50 % vs. 41 %; OR 1,67 [1,13–2,47]) und tendenziell bessere Raten an klinischer Remission (38 % vs. 34 %; OR 1,27 [0,91–1,78]) und steroidfreier Remission (26 % vs. 18 %; OR 1,75 [0,90–3,43]) als Patienten unter Therapie mit TNF-α-Inhibitoren. Auffällig war zusätzlich das signifikant bessere Ansprechen von Patienten mit Kolonbeteiligung auf Vedolizumab im Vergleich zu TNF-α-Inhibitoren (klinische Remission: OR 1,51 [1,04–2,20]; steroidfreie Remission: OR 4,90 [2,44–9,83]; „mucosal healing“: OR 1,70 [1,10–2,61]) [
22]. Angemerkt muss hierbei werden, dass in der TNF-α-Inhibitoren-Gruppe sowohl Patienten mit Adalimumab- als auch mit Infliximabtherapie inkludiert waren.
Weiters liegt ein rezenter systematischer Review zum Vergleich von Vedolizumab mit Ustekinumab bei Morbus Crohn und TNF-α-Inhibitoren-Versagern vor, in denen Daten aus 5 Studien analysiert wurden. Sowohl in der Induktion der Remission (OR: 1,16 [0,54–2,48]) als auch im Erhalt dieser (OR: 0,72 [0,30–1,68]) waren beide Präparate nicht signifikant unterschiedlich wirksam [
23].
Ein weiterer Aspekt, den Faleck et al. beleuchten konnten, ist, dass die Wirksamkeit von Vedolizumab bei Morbus Crohn umso höher ist, je kürzer die Erkrankung besteht. Wird das Präparat in den ersten beiden Erkrankungsjahren begonnen, befinden sich nach 6 Monaten 38 % der Patienten in Remission. Bei späterem Beginn sind es nur noch 23 % der Patienten [
24].