Die Weltreligion der Gesundheit fordert ein arztgefälliges Leben in der Fastenzeit.
Nun ist die Fastenzeit fast vorbei. Und auch wenn die meisten Menschen gar nicht mitbekommen haben, dass sie überhaupt begonnen hat, freuen sich Faster und Non-Faster auf das gemeinsame österliche Fastenbrechen und das Verspeisen jener spärlichen Reste, die von den Heißhungerattacken aus der Fastenzeit noch übrig sind. Wenngleich diese Art der körperlichen und geistigen Reinigung vordergründig nicht mehr zeitgemäß erscheint, erlebt der freiwillige Nahrungsverzicht gerade eine unglaubliche Renaissance. Heute fasten die meisten jedoch weniger aus religiösen Gründen und auch nicht am Stück, sondern eher um der lieben Gesundheit Willen und intermittierend.
Hier hat sich die Wissenschaft als weitere Weltreligion in die Diskussion eingebracht und vorgegeben, an welchen Tagen man fasten soll. Statt Ostern, Ramadan oder Jom Kippur darf man so lange nichts zwischen die Zähne schieben, bis die Autophagie eingesetzt hat, also der Selbstreinigungsprozess der Zellen. Egal ob „16zu8“, „10in2“ oder „17und4“ – Hauptsache, die Brennstoffzufuhr wird gedrosselt, damitsich der Körper regenerieren kann.
Dr. Tekal
Privat
Klingt vernünftig, doch Vernunft macht bekanntlich nicht satt. So war man bei diesem Exerzitium zur inneren Reinigung immer schon überaus erfinderisch, um die strengen Vorschriften zu umgehen. Der Umstand, dass man in der katholischen Fastenzeit kein Fleisch, sondern nur Fisch essen durfte, führte dazu, dass auch Bieber, aufgrund des geschuppten Schwanzes, kurzerhand ebenfalls auf dem Teller landeten. Angeblich wurde auch so manches Schwein kurzerhand in den Fluss geworfen, um es dann als „Wassertier“ gottgefällig zu angeln und zu verspeisen. Und Mönche brachten Fleisch aus dem Auge Gottes, in dem sie es schlichtweg in Nudelteig packten. Dass der Schöpfer tatsächlich auf den Trick mit diesen, auch „Herrgottsbescheißerle“ genannten Maultaschen, reingefallen ist, wird von den meisten Atheisten jedoch bezweifelt.
Heute bescheißt man als Fastenbrecher nicht mehr den Herrgott oder den Klerus, sondern nur mehr den Arzt – und sich selber. Moderne Zeiten erfordern moderne Schummeleien und statt Säugetiere zu Fischen zu erklären, wandelt man Junk zur Vollwertnahrung. Man muss ja nicht so mogeln, wie es die Werbung vormacht und gezuckerte Industriepampe als „wertvoller Pausensnack mit der Extraportion Milch“ deuten. Aber letztlich sind im Fast-Food-Burger frische Tomaten enthalten, oder zumindest Ketchup. Nüsse sind überaus gesund und damit vermutlich auch die Erdnnuss-Flips oder die Erdnuss-Butter. Der Wein beinhaltet das antioxidative Resveratrol, das Bier entzündungshemmende Hopfen-Polyphenole und der Zirbengeist ätherische Öle zur Regeneration der Muskeln. Man kann sich den Alkohol schönsaufen. Und derart kann man die Ernährungssünden in Teigtaschen verstecken.