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Ärzte Woche

05.09.2024 | Tekal

Scheitelknien

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Erzieherische Maßnahmen zur Pünktlichkeit

Nachdem ich von meinem Chefredakteur, aufgrund der allzu späten Abgabe der Kolumne und der damit stillstehenden Räder in der Druckerei („alle Räder stehen still, wenn der Kolumnist es will!“) gemaßregelt wurde und 100-mal „ich soll den Redaktionsschluss achten“ schreiben musste, bin ich geläutert. Die pädagogische Schelte hat gefruchtet, diese Kolumne kommt rechtzeitig ins Werk. Doch ich bin mir nicht sicher, wie lange dieser Achtungserfolg andauert und sich der Chefredakteur genüsslich auf seinem römischen Triclinium, Shisha rauchend, auf seinen Lorbeeren ausruhen kann. Denn der Schlendrian wartet nur darauf, sich erneut in der Terminplanung des Kolumnisten breitzumachen.

Während man bei Kindern noch erzieherisch eingreifen, sie spielerisch, mit einem pünktlichen Kasperl als Vorbild und einem nachlässigen Krokodil als abschreckendes Beispiel, belehren kann, ist das plastische Gehirn beim Erwachsenen bereits recht spröde geworden. Körperliche Züchtigungen wie das in der Schule einst so gefürchtete Scheitelknien sind glücklicherweise heute illegal, zumal sich so eine Kolumne unter Schmerzen nicht so flockig schreibt.

Ich bin damit nicht besser als meine lieben Patienten, die wider besseres Wissen und trotz anderslautender Belehrungen keinerlei Änderung ihres Verhaltens zeigen. Während Veterinäre wissen, dass man auf ein krankes Pferd nicht einreden kann, glauben wir, irrigerweise, nach wie vor an die heilende Wirkung mahnender Worte. Da man als Arzt jedoch nicht in Verdacht geraten mag, seine Patienten erziehen zu wollen, spricht man heute lieber von Patienten-Edukation, was als Fremdwort gar nicht mehr streng, sondern überaus modern klingt. So wie man auch zum Scheitelknien Woodlog-Workout sagen kann, um es dem Delinquenten schmackhaft zu machen. Und wie bei der Edukation ist der Woodlog ja nicht nur ein profanes Holzscheit, man kann aus einem ganzen Spektrum verschiedener Hart- und Weichhölzer wählen.

Tatsächlich müssen wir gelegentlich erzieherisch hart bleiben. Vor allem bei der Pünktlichkeit, als Tugend, die man in einer Ordination durchaus einfordern kann. Und pünktlich bedeutet, dass Patienten, die auf die Minute pünktlich erscheinen, eigentlich bereits zu spät sind, denn wir wollen ja schon vorher wissen, ob sie pünktlich da sein werden – was sich nicht feststellen lässt, wenn sie pünktlich kommen. Ein Zeitparadoxon. Punktgenaue müssen demzufolge aus pädagogischen Gründen gemaßregelt werden. In der Spitalsambulanz bedeutet Pünktlichkeit üblicherweise eine Stunde vor designiertem Eintreffen der ärztlichen Belegschaft (maximo cum tempore). Denn es ist ungemein praktisch, über eine ausreichende Menge an pünktlich Wartenden zu verfügen.

Ich werde also künftig bei der Abgabe auf mein mir erbrechtlich zustehendes akademisches Viertel verzichten und die Kolumne s. t. und nicht c. t. an die Redaktion liefern. Ich tu es aber nicht für mich, sondern nur für meine Knie.

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Metadaten
Titel
Scheitelknien
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
05.09.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 38/2024