Dr. Tekal
Privat
Im Endkampf der Pandemie setzt man auf die Zerstörungskraft der Bürokratie.
Wenngleich noch nicht absehbar ist, was uns die Delta-, Kappa- oder Ninja-Mutanten des Virus noch bescheren werden, haben wir es doch weitgehend geschafft. Und mit etwas Stolz und Genugtuung kann ich behaupten, nicht nur passiver Konsument der Krise gewesen zu sein, der sich faul auf dem Sofa die Millionen des Härtefall-Geldes für Freiberufliche in den Kopfpolster gesteckt hat, sondern gleichsam auch aktiv bei der Bekämpfung der Pandemie mitgewirkt zu haben. Ich konnte quasi den für diese Zeit völlig unbrauchbaren Künstler in mir durch meine unsägliche ärztliche Systemrelevanz vor dem Schlimmsten bewahren. Und während der Kabarettist Mister Hyde nichts Besseres zu tun hatte, als herumzujammern und all die redlichen Bemühungen zur Schadensbegrenzung ins Lächerliche zu ziehen, hat mein innerer Dr. med Jekyll aktiv Hand angelegt.
Ich bin mir bewusst, dass es ein Privileg ist, als kleines Rädchen bei der Task-Force zur Rettung der Menschheit fungieren zu können. So war ich in der Praxis, den Schnupfen-Boxen und den fabriksähnlichen Impfzentren an der Front, um dem Virus von Angesicht zu Angesicht in die Corona zu schauen. Eine überaus befriedigende Tätigkeit, denn es arbeitet sich natürlich gut in jener Phase der Krise, wo man nicht nur schulterzuckend eingestehen muss, außer Quarantäne, Hustinetten-Zuckerl und Essig-Patscherl nicht allzu viel anbieten zu können. Und wie auch immer man zum grassierenden Impfwahn stehen mag, ist es eine Lösung, die offenkundig Wirkung zeigt. Wie der Letzte eine Flasche, an der sich schon zahlreiche Personen versucht haben, mit einem einfachen Dreh aufbekommt, kann man nun locker als Problemlöser mit einer Spritze Glück und Segen in den Oberarmmuskel bringen.
So durfte ich demokratisch die Nadeln in die Arme von Präsidenten in der Hofburg, von Polizisten vor der Hofburg und von Wohnungslosen neben der Hofburg setzen. In Gemeindewohnungen, zu denen man mit kleinen Feuerwehrautos gebracht wurde, in kleinen, knarrenden Amtsgebäuden und in megaloman-babylonischen Impfzentren. Dort jedoch weniger an der Nadel, sondern mehr am Stempel. Denn während die Impfungen selbst meist von den Pflegekräften ausgeführt werden, erfüllen die Mediziner ihre Aufklärungspflicht. Auch wichtig, aber doch auch ein wenig skurril. Denn wenn uns unsere Kindeskinder einst fragen werden, wie wir Ärzte es geschafft haben, die Pandemie zu bekämpfen, so werden wir mit Stolz behaupten: „Wir haben die Viren alle totgestempelt!“. Die Bürokratie als Rettungsanker für die Menschheit.
Als ich das erste Mal in einer neuen Impfstraße Einweghandschuhe und Desinfektionsmittel am Tisch sah, wunderte ich mich, welche manuelle lebensrettende medizinische Tätigkeit hier wohl gewünscht ist. Ich wurde rasch aufgeklärt, dass diese Utensilien stets bereitliegen, um sich beim Wechseln der Stempelkissen die Hände nicht schmutzig zu machen. Da ergreift jedes Virus die Flucht.