Kooperation mit Polizei und Justiz
Unabhängig von den spezifischen sozialen und kulturellen Kontexten ringt jede Lebensgemeinschaft mit unterschiedlichsten Methoden darum, ihre Kinder und Jugendliche angemessen zu sozialisieren, damit sie zu autonomen, selbstverantwortlichen Mitgliedern der Gemeinschaft werden. Daher sehen sich alle Gesellschaften mit der Herausforderung konfrontiert, angemessen und effektiv auf aggressives, impulsives und straffälliges Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu reagieren. Wie schon weiter oben über die Weiterbildung für kinder- und jugendpsychiatrische Forensik beschrieben, gibt es verschiedene Ansatzpunkte der Kooperation. Es beginnt mit der häufig durch die Polizei veranlassten oder durchgeführten Einweisung in die psychiatrischen Abteilungen. Die Polizei steht hier an einer heiklen Schnittstelle, muss sie doch eine Krisensituation beurteilen, die zwar von den rechtlichen Rahmenbedingungen klar ist (siehe auch Krisenmanual Salzburg [
8]), aber bezüglich ihrer inhaltlichen Qualität (psychiatrisch, sozial, pädagogisch) schwierig zu beurteilen ist. Daher bedarf es hier einer sehr guten Kooperation und Abstimmung zwischen den gesellschaftlichen Sektoren (Kinder- und Jugendhilfe, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Polizei, Amtsärzten, Kinder- und Jugendpsychiatrie). Straffällig gewordene und inhaftierte Jugendliche stellen den zweiten, wesentlichen Berührungspunkt dar. Im Vergleich mit z. B. Schweizerischen Standards der Jugendforensik und der Behandlung straffällig gewordener Jugendliche ist Österreich bedauerlicherweise weit entfernt auch eine nur annähernd ähnliche Qualität der Betreuung ermöglichen zu können. Das Kapitel Kinderschutz ist die dritte Nahtstelle mit Polizei und Justiz. In den letzten Jahrzehnten ist im Sinne des Opferschutzes einiges neu gestaltet worden (z. B. kontradiktorische Befragung etc.), der Umgang mit z. B. Fällen sexuellen Missbrauchs ist aber nach wie vor unbefriedigend, da nur ca. 2–3 von 10 Anzeigen zu einer Verurteilung der Täter führen. Dies liegt im Wesentlichen am Festhalten an Beweisen, die in diesen Fällen aber oft – wegen der oft jahrelangen Zwischenzeiten – schwer erbringbar sind. Diese Tatsache ist für die Opfer extrem schwierig, denn sie wollen sich häufig aus diesem Grund nicht auf Anzeigen und Gerichtsverhandlungen einlassen, da überwiegend die Meinung vorherrscht, das bringe nichts. Von Seiten der Fachwelt sind große Anstrengungen unternommen worden, die Versorgung der Opfer und die Sachverständigentätigkeit in diesem Bereich zu verbessern [
28]. Die innerhalb der Spitäler arbeitenden Kinderschutzgruppen sind mittlerweile hochqualifizierter Standard [
25], harren aber teilweise nach wie auf finanzielle und strukturelle Unterstützung. Sie könnten und sollten – ähnlich wie in Wien – an weiteren Orten zu forensisch tätigen Ambulanzen ausgebaut werden [
27].