Einleitung: Humanistische Verfahren und die Phänomenologie
Die humanistische Psychotherapie in Österreich mit ihren acht gesetzlich anerkannten Therapiemethoden steht in der Gegenwart rund um die Novellierung des Psychotherapiegesetzes sowie vor dem Hintergrund einer seit den 2000er-Jahren anhaltenden Akademisierung des Feldes vor einigen Herausforderungen. Der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) zählt in einer aktuellen Informationsbroschüre zur Psychotherapie zum humanistischen Cluster: Existenzanalyse (E), Existenzanalyse und Logotherapie (EL), Gestalttheoretische Psychotherapie (GTP), Integrative Gestalttherapie (IG), Integrative Therapie (IT), Klientenzentrierte Psychotherapie (KP), Personzentrierte Psychotherapie (PZ) sowie Psychodrama (PD). Mit unserem Beitrag möchten wir einige Ideen zu einer metatheoretischen Rahmung des humanistischen Clusters und seiner Vielfalt an Methoden und Therapiestilen einbringen. Unser Anliegen ist es zu zeigen, dass sich die philosophische Phänomenologie und phänomenologische Psychopathologie als methodenübergreifende Theorien besonders angesichts der historischen Verwurzelung der humanistischen Therapieverfahren eignen. Für ein solches Vorhaben gilt es einleitend, einige Eckpunkte der aktuellen Situation der humanistischen Psychotherapie in Österreich zu umreißen.
Als erster Eckpunkt sei zunächst das Feld „humanistischer Psychotherapie“, wie es jüngst der Gesetzgeber vorsieht, umrissen. Aktuell gehören zu ihr acht Methoden mit 18 Ausbildungseinrichtungen. Laut Erläuterung zum ersten Entwurf des Psychotherapiegesetzes zählen sich 39,4 % aller Psychotherapeut:innen zu einer humanistischen Methode (Stand 31.12.2021), 44,6 % aller Ausbildungskandidat:innen sind in diesem Cluster zu verorten (Stand 01.06.2022).
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Ein weiterer Eckpunkt des Rahmens findet sich in den Erläuterungen zum Psychotherapiegesetz, im Feld der Psychotherapie „ein verfahrensübergreifendes Selbstverständnis von wissenschaftlich fundierter Psychotherapie [zu] fördern“.
2 Seit 2012 bietet die
Koordinationsstelle Psychotherapieforschung, vom Gesundheitsministerium an der Gesundheit Österreich GmbH eingerichtet, einen Rahmen hierfür, etwa durch den
Leitfaden Praxisorientierte Psychotherapieforschung (Rieß
2018). Seit 2022 organisiert diese auch regelmäßige Workshops, um im humanistischen Cluster eine übergreifende Identitätsbildung als Grundlage für gemeinsames Forschen anzuregen.
Auch die Situation der humanistischen Psychotherapie in Deutschland (Kriz
2023) bildet einen relevanten Eckpunkt, da sie wie eine Drohkulisse für die humanistische Psychotherapie in Österreich erscheint: Während in den 1990ern die Gesprächstherapie „besonders stark an den Universitäten vertreten war“ (Kriz
2023, S. 73) und auch einen nennenswerten Anteil an Forschungsprogrammen hatte, kam es seither in Deutschland zu einer „ruinösen Verdrängung der Humanistischen Psychotherapie“ (ebd.). Gegen den Widerstand aus der wissenschaftlichen Community wurde ihr sowohl die Zulassung als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren entzogen, als auch die Zulassung als Approbationsausbildung. Kriz beschreibt dies als „Blockierung“, ja „Eliminierung“ der Humanistischen Psychotherapie (ebd. S. 73, 76).
Inzwischen gibt es jedoch eine breite Unterstützung für die Anerkennung und Reintegration der humanistischen Psychotherapie in die deutsche Psychotherapie-Landschaft – zuletzt veröffentlichten Michael Buchholz und Jürgen Kriz einen von bislang 158 deutschen Professor:innen unterstützten „Weckruf“, in dem die Einseitigkeit des reduktiven biomedizinischen Blicks kritisiert wird (vgl. Weier
2024).
3 Er fordert eine größere Breite der Therapieverfahren und Forschungsansätze, die sich nicht nur auf RCT-Studien beschränken dürfen (Kriz
2023, S. 79).
Die Situation in Deutschland sorgt auch im humanistischen Cluster in Österreich für Sorgen und Bedenken. Die hiesigen Bemühungen etwa im Rahmen der GÖG Initiative können auch als eine Verteidigung der Vielfalt der Psychotherapiemethoden in Österreich verstanden werden. Ein gemeinsames, methodenübergreifendes und kooperatives Forschen soll die Abwehr gegen ähnliche Gegenkräfte in Österreich stärken – so der Anspruch. Vor diesem Hintergrund schlugen bereits Stefan und Höfner (
2022,
2023) vor, für eine clusterspezifische Kooperation die Phänomenologie als „einheitsstiftenden Ansatz in Erwägung zu ziehen“ (Stefan und Höfner
2023, S. 48). Sie verweisen auf gemeinsame Wurzeln der humanistischen Methoden in der Existenzphilosophie und der Phänomenologie des 20. Jahrhunderts (ebd.). So sind Frankls Logotherapie und Längles Existenzanalyse in der Phänomenologie Husserls, Heideggers und Schelers verwurzelt (Gritschneder
2005; Längle
2007), ebenso Gendlins „Focusing-orientierte Psychotherapie“ (Gendlin
2018). Die Integrative Gestalttherapie (Nausner
2018a, b) oder die Integrative Therapie nach Hilarion Petzold (Petzold
2011) nehmen zudem auch bei Merleau-Ponty wichtige Anleihen. Schließlich haben auch Bubers Dialogphilosophie, Goldsteins Organismustheorie und Lewins Feldtheorie die humanistische Tradition übergreifend geprägt (siehe Hutterer
2011; Längle
2011; Petzold
2011; Stemberger
2011; Wiltschko
2011; Stumm
2011). Nach ihrem Verständnis bietet diese ein Menschenbild und einen epistemologischen Ansatz, der „ein Gegengewicht und eine Ergänzung zum eher objektivistischen naturwissenschaftlichen Zugang zum Menschen“ (Stefan und Höfner
2023, S. 59) bilden kann.
Diesen Vorschlag von Stefan und Höfner wollen wir im Folgenden unterstützen und vertiefen. Da die Phänomenologie im 20. Jahrhundert eine umfassende Tradition der Auseinandersetzung mit Psychopathologie, Psychiatrie, Psychologie und Psychoanalyse vorzuweisen hat, möchten wir dabei insbesondere die Phänomenologische Psychopathologie in den Vordergrund rücken (Fuchs und Thoma
2023; Fuchs
2023; Stanghellini et al.
2019). Ein solcher metatheoretischer Rahmen soll die Grundlage für eine verbindende Identität, Theoriebildung und empirische Forschung schaffen, ohne die Vielfalt der Therapiestile und Identitäten „imperialistisch“ zu nivellieren. Konkret lautet unsere These, dass die philosophische Phänomenologie bzw. die phänomenologische Psychopathologie aufgrund der genannten Verwurzelung der zahlreichen Therapieverfahren in der phänomenologischen Tradition einen implizit bereits bestehenden philosophischen Boden weiter kultivieren und auf diese Weise zu einer Integration beitragen kann, ohne Differenzen und Eigenheiten der Therapiestile zu nivellieren – deswegen auch der Fokus auf die Metatheorie bzw. die philosophischen Grundlagen. Eine konkrete Veranschaulichung eines solchen Vorhabens findet sich etwa im Beitrag von Schmidsberger, Mayerl und Nausner zur Integrativen Gestalttherapie in dieser Ausgabe.
Zunächst werden wir auf die Mehrdeutigkeit des Begriffes „Phänomenologie“ eingehen, die sowohl für begriffliche als auch für konzeptuelle Ungenauigkeiten sorgt (Abschn. 2). Dann stellen wir die Phänomenologische Psychopathologie und ihr Verständnis psychischer Erkrankungen in Grundzügen vor (Abschn. 3). Vor diesem Hintergrund umreißen wir mehrere Strategien und Wege, wie die Phänomenologie zur Theorie und Praxis der Psychotherapie beitragen kann (Abschn. 4).
Phänomenologische Psychopathologie „in a nutshell“
Die Psychopathologie steht in psychotherapeutischen Kreisen häufig in dem Ruf, psychisches Leiden nur aus der Distanz zu beobachten, für die Diagnosestellung zu kategorisieren und damit auch zu pathologisieren. Die phänomenologische Psychopathologie ist davon jedoch weit entfernt. Sie geht vom subjektiven Erleben und Leiden der Patient:innen aus, das sie möglichst einfühlsam nachzuvollziehen und beschreibbar zu machen sucht; dafür gibt es inzwischen auch eingehende phänomenologische Tiefeninterviews (s. unten). Voraussetzung ist dabei das Absehen von allen theoretischen Vorannahmen, insbesondere von dem Versuch, die Phänomene auf ein biologisches Substrat, auf tiefenpsychologische Konstellationen oder andere Ursachen zurückzuführen. Gerade dies ermöglicht die Offenheit und Aufmerksamkeit, deren es bedarf, um sich ganz dem Erleben der Patient:innen selbst zuzuwenden.
Die Phänomenologie ist somit gerade in der Psychiatrie keine distanziert beobachtende, sondern eine teilnehmende und engagierte Methode. Sie geht den Erlebnisweisen der Patient:innen in der Tiefe nach: Wie ist es, in einem bestimmten psychischen Zustand zu sein? Wie erlebt der Patient seinen Leib und seinen Raum? Wie nimmt er die anderen in ihrer Beziehung zu sich selbst wahr? Wie erfährt er seine Welt? – und so fort. Es geht darum, etwas so zum Ausdruck und zur Sprache zu bringen, dass sich der Patient durch das Verstehen der Psychiaterin auch selbst verständlicher wird. Er ist nie bloßes Untersuchungsobjekt, sondern vom ersten Gespräch an ein leidender Mitmensch, der im Gespräch auch ein ‚geteiltes Leid‘ erfährt. Wenngleich die phänomenologische Psychopathologie auf einer komplexen Begrifflichkeit basiert, die der Analyse der primären Erfahrung dient, so ist doch ihr letztes Ziel immer die Anwendung in der therapeutischen Begegnung (vgl. Fuchs et al.
2019; Fuchs
2020, S. 14).
In der weiteren Analyse ordnet die Phänomenologie das Erleben der Patient:innen bestimmten
Grundformen der Erfahrung zu, die sich als Selbsterleben, Leiblichkeit, Räumlichkeit, Zeitlichkeit, Intersubjektivität und Lebenswelt beschreiben lassen, und untersucht deren individuelle und typische Abwandlungen in psychischem Kranksein. Aus diesen Kategorien wird bereits deutlich, dass psychisches Leiden aus phänomenologischer Sicht weder im Gehirn noch in einem verborgenen „Innenraum“ des Psychischen lokalisiert werden kann, sondern eine Veränderung des „In-der-Welt-Seins“ des Kranken insgesamt darstellt: „Der Patient ist krank, das heißt, seine Welt ist krank“ (van den Berg
1972, S. 46). Psychische Störungen sind dann nicht mehr allein im Individuum zu verorten; sie sind vielmehr Störungen des leibräumlichen Erlebens, der Resonanz und der Kommunikation mit der Umwelt, oder kurz: „Störungen des verkörperten Selbst in Beziehung“ (Fuchs
2023, S. 135).
Wie werden die Ergebnisse phänomenologischer Explorationen nun weiter verarbeitet? Die subjektive Erfahrung lässt sich ihrer Natur nach nicht in Form von statistischen Durchschnittswerten berechnen. Die Phänomenologie sucht vielmehr nach der ontologischen Struktur bzw. den „Existenzialien“ (Fernandez und Koster
2019, S. 193; vgl. Fuchs
2010), in die die einzelnen Merkmale oder Symptome eingebettet sind: z. B. die affektive Selbstentfremdung in der Depression, die Störung des Selbsterlebens in der Schizophrenie oder die Verdinglichung des eigenen Leibes in der Anorexie. Zu diesem Zweck betont die Phänomenologie die Bedeutung von qualitativen Studien, die
Prototypen für das Verständnis psychischer Störungen liefern können. Ein klassisches Beispiel ist der „Typus Melancholicus“, den Tellenbach (1983) aufgrund klinischer Beobachtung bei Patienten mit schwerer Depression beschrieben hat, oder der von Blankenburg (
1971) analysierte „Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit“ in der Schizophrenie.
Für die psychotherapeutische Situation schließlich hält die Phänomenologie ein reiches Instrumentarium von Begriffen und Konzepten bereit, die geeignet sind, die Vorstellung eines psychischen Innenraums zu überwinden. Dazu gehört der Begriff des
interaktiven phänomenalen Feldes (Fuchs
2019), das einerseits durch leibliche Hintergrundgefühle, Stimmungen oder Atmosphären konstituiert wird, andererseits durch die affektiven und sozialen Interaktionen, die sich in Phänomenen wie leiblicher Resonanz, Zwischenleiblichkeit und Interaffektivität manifestieren. In diesen weitgehend präreflexiven Prozessen kann auch das traditionell der Innenwelt zugeschriebene Unbewusste als ein zwischenleibliches, implizites Beziehungsmuster verstanden werden, dass im „Zwischen-Raum“ der Therapie erfahrbar wird. Der phänomenologische Ansatz kommt damit allen Verfahren entgegen, die dem verkörperten Beziehungsgeschehen im Hier und Jetzt besondere Aufmerksamkeit zuwenden; so ist in der Gestalttherapie der Begriff des phänomenalen Feldes bereits üblich (Francesetti
2022).
Strategien zur philosophischen Anreicherung der Psychotherapie
Vor diesem Hintergrund möchten wir mehrere Strategien benennen, mit denen die Phänomenologie zur Theoriebildung, zur empirischen Forschung und zur praktischen Arbeit von Psychotherapeut:innen beitragen kann: a) durch eine Fundierung der Theoriebildung, b) eine Prämissenklärung empirischer Forschung, sowie c) phänomenologische Instrumente für die empirische Forschung.
Fundierung der Theoriebildung
Bei der ersten Strategie geht es um eine Verankerung psychotherapeutischer Theoriebildung in philosophischer Phänomenologie, um sich auf diesem Boden mit psychotherapeutischen Themen – wie etwa einem Verständnis von Selbst, Identität, psychischer Erkrankung, etc. – und einer Praxeologie auseinanderzusetzen. Ein solches Vorgehen sei exemplarisch an einem Werk des Gestalttherapeuten Frank Staemmler,
Das dialogische Selbst (
2015), veranschaulicht. Staemmler entwickelt auf einem philosophischen Fundament eine Theorie des Selbst mit einem ausdrücklich als „
intersubjektiv und
dialogisch“ (ebd. S. 3) reflektierten Menschenbild. Die Konstitution eines Selbst liegt demnach in einer vorgängigen Relationalität, also in einer Bezogenheit auf Andere, im Kontrast zur Vorstellung „von einem isolierten, fest umrissenen und stark individualisierten Selbst […], das von Anderen scharf abgegrenzt ist.“ (ebd. V) Staemmlers Ausführungen basieren damit auf einem philosophischen Verständnis von „Sozialität“ und „Sozialer Ontologie“, wie sie in der Gegenwart von phänomenologischer Warte aus umfassend ausgearbeitet wurden (siehe: Fuchs
2006,
2018; Mackenzie et al.
2014; Huth und Thonhauser
2020; Boublil
2018; Schmidsberger
2021). Die Struktur der menschlichen Psyche ist damit fundamental sozial und dialogisch verfasst. Dies bildet wiederum die Grundlage für seine Praxeologie zur Interventionsform des Leeren Stuhls, die er im Anschluss an Perls (ebd. S. 4 f.) systematisch entfaltet. Diese praxeologischen Überlegungen sind dabei expressis verbis in eine leibphänomenologisch unterlegte dialogische Selbsttheorie eingebettet.
Prämissenklärung empirischer Forschung
Die zweite Strategie einer „Prämissenklärung“ für die empirische Forschung findet sich bei Gallagher und Zahavi (
2023) in ihrer Auseinandersetzung mit Kognitionswissenschaft und der Naturalisierung des Bewusstseins. Sie schreiben,
„dass wir, wenn wir auf methodische Weise eine detaillierte phänomenologische Analyse betreiben und die intentionalen, verkörperten, zeitlichen und phänomenalen Aspekte der Erfahrung genau erforschen, am Ende eine Beschreibung dessen erhalten, was Psycholog:innen und Neurowissenschaftler:innen zu erklären versuchen, wenn sie sich auf neuronale Prozesse, Informationsverarbeitung oder dynamische Modelle berufen. Genau genommen würden Phänomenolog:innen behaupten, dass diese methodisch kontrollierte Analyse Wissenschaftler:innen ein adäquateres Wahrnehmungsmodell liefert, als wenn diese einfach mit dem gesunden Menschenverstand und ihren eigenen Intuitionen beginnen“ (ebd. S. 31).
Das Argument lautet also, dass eine philosophische Auseinandersetzung mit einer Erfahrung oder einem Phänomen das begriffliche Vorverständnis erhellt, das konkreten empirischen Untersuchungen vorausgeht. Eine differenzierte phänomenologische Klärung dessen, was mit empirischen Forschungsarbeiten untersucht werden soll, ist demnach für ein adäquates Studiendesign unerlässlich.
Phänomenologische Instrumente für die empirische Forschung
Die phänomenologische Psychopathologie und Psychotherapie kann sich auf eine reichhaltige qualitative Forschungstradition stützen, die auch verschiedene standardisierte Erhebungsinstrumente entwickelt hat. Ein Beispiel dafür ist die
Examination of Anomalous Self Experience (EASE, Parnas et al.
2005), ein ausführliches phänomenologisches Interview zur Erfassung basaler Selbststörungen in der Schizophrenie. Es beruht auf der Beobachtung, dass die Mehrheit der Patient:innen schon lange vor einer akuten Psychose subtile Veränderungen der Selbst‑, Leib- und Zeiterfahrung erleben, die sich erst einem vertieften Erfragen und Verstehen erschließen. Weitere phänomenologische Forschungsinstrumente sind etwa die
Examination of Anomalous World Experience (Sass et al.
2017), das Interview zu Identität und Verkörperung bei Essstörungen (IDEA, Stanghellini et al.
2012) oder die Technik des Mikrophänomenologischen Interviews (Petitmengin
2006). Erwähnt seien auch Verfahren des „Existential Phenomenological Research“ (Churchill
2022) oder die Beurteilung der subjektiven Erfahrung von Praktiker:innen (Pallagrosi et al.
2014). All diese Methodenkonzepten folgen einer phänomenologischen Anthropologie und transformieren diese in eine empirische Forschungsstrategie. Die Phänomenologie genügt damit auch den Ansprüchen an eine zeitgenössische, empirisch orientierte Psychotherapieforschung.
Zusammenfassung: Eine mögliche Perspektive für den humanistischen Cluster
Wie erkennbar wird, umfasst und artikuliert die Phänomenologie zahlreiche Motive der humanistischen Psychotherapie (Leib, Sozialität, Sinn, Zukunft, Sterblichkeit, Conditio Humana), ergänzt sie aber um weitere Aspekte (Leibtheorie, Zwischenleiblichkeit, Zeitlichkeit, anthropologische Grundlagen, Erfahrungsbegriff, Lebensweltorientierung, Philosophie des Sinns und der Sinnbildung). Damit spannt die phänomenologische Psychopathologie einen weiten anthropologischen Rahmen, der einerseits an aktuelle wissenschaftliche Diskurse etwa aus den Kognitions- oder den Neurowissenschaften anknüpft (siehe insbesondere Gallagher und Zahavi
2023 sowie Fuchs
2023), der andererseits aber auch imstande ist, die zahlreichen Konzepte der humanistischen Psychotherapieverfahren in ein gemeinsames Menschenbild zu integrieren, und ebenso neuere, systematisierte Methoden und Instrumente für empirische Forschung bereit hält. Hierin sehen wir eine umfassende und fruchtbare Perspektive für ein gemeinsames Forschen im humanistischen Cluster, das die Vielfalt der humanistischen Therapieverfahren wahrt und doch in einen gemeinsamen Rahmen integriert.
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