Gezieltes Screening der Medikation im Sinne eines Patient-Centered Care verbessert die Lebensqualität und reduziert Arzneimittelinteraktionen. Nicht immer tritt bei Lyme-Borreliose ein Erythema migrans auf.
Gefährliche Annäherung Zecken können unter anderem das Bakterium Borrelia burgdorferi sensulato übertragen, den Erreger der Lyme-Borreliose.
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Frau D. ist 68 Jahre alt und betreibt regelmäßig Sport. Neben wöchentlichen Walking-Runden und Wanderausflügen mit ihrem Ehemann besucht sie Yoga-Kurse und schwimmt im Winter die ein oder andere Runde im örtlichen Hallenbad. Vor knapp zwei Jahren wurde bei ihr aufgrund anhaltender Bewegungsschmerzen eine Gonarthrose im rechten Knie diagnostiziert. Abgesehen vom zeitweise aktivierten Krankheitsstadium ist Frau D. allerdings beschwerdefrei. Der aktuelle Medikationsplan umfasst ein rezeptpflichtiges Bedarfsmedikament, ein OTC-Präparat und ein Nahrungsergänzungsmittel ( Tab. 1 ).
Auslöser und Screening
Nun berichtet die Patientin erstmals von Schmerzen im linken Knie, bei dem in der Bildgebung keine radiologischen Arthrosezeichen aufgefallen sind. Diese fühlen sich auch etwas anders an und klingen selbst nach längerer Ruhephase nicht vollständig ab. Das vom Arzt inspizierte Knie ist geschwollen und druckschmerzhaft. Andere Gelenke sind nicht betroffen. Generalisierte Beschwerden wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Fieber werden von Frau D. verneint.
Blutsenkgeschwindigkeit und C-reaktives Protein sind im Schnelltest nicht erhöht. Der Arzt erkundigt sich nach einem Zeckenstich als möglichem Auslöser, doch weder ein Zeckenstich noch die beschriebenen Hautveränderungen (Erythema migrans) wären ihr aufgefallen. In Anbetracht der Klinik wird der Dame dennoch Blut abgenommen, um dieses auf Borrelien-spezifische Antikörper zu untersuchen. Bis das Ergebnis vorliegt ist eine Medikationsanalyse nach dem SOAP-Prinzip ( S ubjective- O bjective- A ssessment- P lan) geplant.
Ergebnis der Analyse
- Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit der nördlichen Hemisphäre. Erreger ist das Bakterium Borrelia burgdorferi sensu lato. Von den mehr als 20 beschriebenen Arten, sind sechs humanpathogen.
- Die Bakterien werden primär als Larve oder Nymphe von den Zecken aufgenommen und im nächsten Entwicklungsstadium auf einen neuen Wirt übertragen. Studien zeigen, dass für die Übertragung bereits sechs Stunden Blutmahlzeit ausreichen.
- Lyme-Borreliose verläuft in drei Stadien: Dem frühen lokalisierten Stadium, dem frühen disseminierten Stadium und dem späten Stadium. Im frühen Stadium treten Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich Symptome auf. Charakteristisch ist das Erythema migrans, eine ringförmige Hautrötung, die im Zentrum oft blasser ist als am Rand. Der äußere rote Ring wird im Lauf der Zeit größer und wandert weiter nach außen, daher der Name migrans (Wanderröte). Empfehlung: Bei klinischer Diagnose eines Erythema migrans ohne Allgemeinsymptomatik eine 10 bis 14 Tage dauernde Antibiotika-Therapie mit Doxycyclin (200mg 1x/Tag), Amoxicillin (500-1000mg 3x/Tag) oder Cefuroxim (500mg 2x/Tag) bzw. als Mittel der zweiten Wahl Azithromycin (500mg 1x/Tag für 6 Tage).
- Im frühen disseminierten Stadium verbreiten sich die Borrelien und befallen andere Organe. Dies kann zu einem Borrelien-Lymphozytom, einer Neuroborreliose oder einer Lyme-Karditis mit entsprechenden Symptomen führen. Empfehlung: Lyme-Borreliose im frühen disseminierten Stadium wird, wie im akut lokalisierten Stadium, antibiotisch behandelt und die Dauer der Therapie wird je nach klinischer Manifestation auf bis zu vier Wochen erweitert.
- Monate bis Jahre nach dem Stich kommt es zum Spätstadium der Erkrankung, zu der die Lyme-Arthritis und Acrodermatitis chronica atrophans gehören. Empfehlung: Lyme-Borreliose im Spätstadium wird über vier Wochen mit Doxycyclin (200mg 1x/Tag), Amoxicillin (1000mg 3x/Tag) oder Cefuroxim (500mg 2x/Tag) behandelt.
- Eine serologische Untersuchung sollte nur bei klinischem Verdacht erfolgen und ist in den ersten Wochen meist negativ. Ein positiver Immunoblot erlaubt keine Unterscheidung zwischen vorausgegangener und aktiver Infektion. Die Serologie auf Borrelien-spezifische IgG-Antikörper eignet sich auch nicht zur Kontrolle eines Therapieerfolgs, da diese selbst bei erfolgreicher Therapie positiv bleiben. Die Antikörper schützen auch nicht vor Re-Infektionen (keine Immunität). Empfehlung: Positive Serologie zeigt lediglich an, dass im Laufe des Lebens eine Borrelien-Infektion (symptomatisch oder asymptomatisch) stattgefunden hat. Zur Diagnosestellung gehört immer das klinische Bild.
Bei Verdacht auf Lyme-Arthritis ist eine Untersuchung der Synovialflüssigkeit anzustreben. Hier sind die IgG-Titer und die Leukozytenzahl (20.000-100.00 Zellen/μl) in der Regel stark erhöht. Die Sensitivität der PCR für Borrelien-DNA in der Synovia liegt bei rund 80%. Empfehlung: Die Serologie der Synovialflüssigkeit kann bei der Diagnosestellung einer Lyme-Arthritis helfen.
Die bei Patienten bekannte „Zeckenimpfung“ (FSME-Impfung) schützt nicht vor Lyme-Borreliose. Ein vielversprechender Impfstoff befindet sich in Entwicklung und durchläuft gerade Phase II. Empfehlung: Patienten über fehlenden Impfschutz aufklären.
Auswirkungen der Analyse
Sowohl im hochsensitiven ELISA-Suchtest als auch dem nachfolgenden Immunoblot werden Borrelien-Antikörper nachgewiesen. In der Synovialflüssigkeit sind Borrelien-spezifische IgG-Antikörper und Leukozyten (45.000 Zellen/μl) massiv erhöht. Der PCR-Nachweis ist positiv auf B. burgdorferi sensu lato. Angesichts dessen wird eine vierwöchige Doxycyclin-Therapie mit 200mg 1x täglich verordnet (Tab. 2)
Frau D. wird darüber aufgeklärt während der Behandlung auf den gleichzeitigen Konsum von calciumhaltigen Nahrungsmitteln wie Milch, Topfen und Käse zu verzichten. Bei Aufenthalt im Freien soll sie auf ausreichenden Sonnenschutz achten. Im Zuge der Behandlung verschwinden die Schmerzen im linken Knie komplett und sind seitdem auch nicht mehr aufgetreten.
Resümee
Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionserkrankung in der nördlichen Hemisphäre. Erreger ist die durch den Stich übertragene Spirochäte B. burgdorferi. Bis zu 60% aller unbehandelten Patientinnen und Patienten entwickeln eine Lyme-Arthritis als Folge der Infektion. Die rezidivierende Entzündung manifestiert sich vor allem in den großen Gelenken. Typisch ist eine Monoarthritis des Kniegelenks.
Da ein Erythema migrans nicht immer auftritt und sich mitunter auch anders präsentiert (nicht wandernd, nicht randbetont, unregelmäßig fleckig aussehend usw.) ist bei klinischem Verdacht eine Serologie, einschließlich IgG-Nachweis aus der Synovialflüssigkeit, anzustreben.