Wo Künstliche Intelligenz in der Onkologie eingesetzt wird

Wie lässt sich mit Künstlicher Intelligenz die Krebsversorgung voranbringen? Drei Beispiele vom ASCO-Kongress zeigen, wo es funktionieren kann: bei der Risikoabschätzung, der Vorhersage des Therapie-Ansprechens und beim telefonischen Kontakt mit Patientinnen und Patienten. M. Banys-Paluchowsk / all rights reserved Springer Medizin Verlag GmbH | M. Banys-Paluchowsk / all rights reserved Springer Medizin Verlag GmbH × Künstliche Intelligenz (KI) kann auf vielen Ebenen zu einer besseren Krebsversorgung beitragen. Bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago wurden drei neue Studien vorgestellt, die das illustrieren.1-3 Eine davon kam aus Deutschland: Daniel Kates-Harbeck vom Universitätsklinikum der LMU München berichtete über ein multimodales KI-Modell, das abschätzt, wie wahrscheinlich es ist, dass Frauen mit einem frühen HR+/HER2- Brustkrebs Fernmetastasen entwickelt.1 Multimodal heißt, dass unterschiedliche Informationsquellen in die Risikoberechnung einbezogen wurden, nicht nur Bildgebung und Pathologie, sondern auch die klinische Dokumentation. Hilfe bei der Entscheidung über postoperative Therapie? Trainiert und validiert wurde das Modell auf Basis von insgesamt 7.819 Patientinnen aus achtzig unterschiedlichen Zentren in Deutschland. Es handelte sich um Datensätze der Phase-III-Studien WSG PlanB und ADAPT. Die Auswertung der Validierungskohorte, die rund 40% der Patientinnen umfasste, erfolgte für das Gesamtkollektiv und aufgegliedert nach Subgruppen, darunter prämenopausaler Tumor, Grad 3 Tumor und N0 Tumor. Zugrunde liegt dem KI-Modell die Artera-Plattform, auf der Prädiktionsmodelle für unterschiedliche Krebsindikationen entwickelt werden können. Im Endeffekt konnten die Münchner zeigen, dass sich bei dem von dem Modell „entwickelten“ Risikoscore das Risiko von Fernmetastasen pro Standardabweichung in etwa verdoppelte: „In der Subgruppe der N0-Patientinnen bedeutet das eine Hazard Ratio von 2,4, in der Subgruppe der prämenopausalen Patientinnen eine von 2,6“, so Kates-Harbeck. Für eine bessere Anschaulichkeit wurden die Patientinnen anhand ihres KI-basierten Risiko-Scores in Quartile eingeteilt. Beispiel prämenopausale Patientinnen: Hier gab es in der höchsten Risikoquartile ein 5-Jahres-Risiko von 16% für Fernmetastasen, gegenüber nur 2% in den untersten beiden Quartalen. Auch bei G3-Tumoren lieferte die KI mit 17% versus 3% eine sehr gute Abgrenzung. Risikoabschätzung ist präziser als gängige Scores Die zusätzlichen klinischen Informationen, auf die das Modell zurückgreifen konnte, waren dabei wichtig: Ein reiner Bildgebungs-Score grenzte die Gruppen aber nicht so gut ab wie der multimodale Score. Hilft das in der klinischen Praxis? Die Risikoabschätzung ist zumindest präziser als gängige Scores und könnte zum Beispiel in Entscheidungen über Art und Dauer einer postoperativen Therapie einfließen. Über ein ähnliches, multimodales Modell berichtete Dr. Ravi Bharat Parikh von der Universität Pennsylvania.2 Sein Modell wurde darauf trainiert, anhand von radiologischen Rohdaten der CT-Untersuchungen das Ansprechen auf Checkpoint-Inhibitoren vorherzusagen. Auch hier liegt, entsprechend zuverlässige Schätzungen vorausgesetzt, der klinische Nutzen auf der Hand. Screening verpasst? Hallo, hier spricht die KI! Ein völlig anderes Szenario für einen KI-Einsatz in der Krebsmedizin sind Sprachroboter, die die Prävention unterstützen. Über ein prägnante Beispiel, den Chat-GPT basierten Sprachroboter MyEleanor, berichtete Dr. Alyson Moadel vom Montefiore Einstein Comprehensive Cancer Center in New York.3 MyEleanor wurde darauf trainiert, sich mit Menschen zu unterhalten, die ihre Vorsorgekoloskopie nicht wahrgenommen haben bzw. einen entsprechenden Termin ausfallen ließen, und zwar im New Yorker Stadtteil Bronx, einem sozialen Brennpunkt. MyEleanor rief rund zweitausend Menschen an und fragte als erstes nach der bevorzugten Sprache, denn für knapp 60% der Menschen in der Bronx ist Englisch nicht die Muttersprache. Danach erläuterte der Chatbot den Angerufenen, dass es um die verpasste Vorsorgekoloskopie gehe. Gründe für verpasste Screening-Termine herausgefunden Immerhin 57% ließen sich auf das Gespräch ein, das sich zunächst darum drehte, warum der oder die Angerufene den Termin hatte ausfallen lassen. Letztlich ließen sich 780 von insgesamt 2400 Angerufenen von dem Sprachroboter überzeugen, einen neuen Termin zu vereinbaren. Aus Sicht von Moadel ist das ein enormer Erfolg, vor allem weil er mit überschaubarem Personalaufwand erreicht wurde. Denn nur für die Terminvereinbarung ganz am Ende wurde ein echter Mensch ans Telefon geholt, alles andere war automatisiert. Zusätzlich liefert MyEleanor durch ihr „Gespräch“ auch noch Informationen über die Gründe für verpasste Screening-Termine – und damit Ansatzpunkte, um das Screening-Programm insgesamt weiter zu optimieren. Referenzen: 1Kates-Harbeck D et al.: Multimodal artificial intelligence models from baseline histopathology to predict prognosis in HR+ HER2- early breast cancer: Subgroup analysis. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 16; Abstr. 101) 2Bharat P et al.: Real-world and clinical trial validation of a deep learning radiomic biomarker for PD-(L)1 immune checkpoint inhibitor response in stage IV NSCLC. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 16; Abstr. 102) 3Moadel AB et al.: AI virtual patient navigation to promote re-engagement of U.S. inner city patients nonadherent with colonoscopy appointments: A quality improvement initiative. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 16; Abstr. 100) Quelle: 655. ASCO Annual Meeting, 31. Mai bis 4. Juni 2024, Chicago

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