Schützt auch die medikamentöse Gewichtsreduktion vor Krebs?

Offenbar muss es nicht immer die bariatrische Chirurgie sein, wenn es darum geht, durch deutlichen Gewichtsverlust auch das Krebsrisiko günstig zu beeinflussen. Eine große Kohortenanalyse zur Behandlung mit GLP-1-Agonisten wurde dazu auf der ASCO-Tagung vorgestellt. myskin / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodel) × Die International Agency for Research on Cancer hat vor einigen Jahren eine Liste von 13 malignen Tumoren vorgelegt, für die sie eine Adipositas als einen unabhängigen Risikofaktor betrachtet. Auf dieser Liste stehen seitens gastrointestinaler Tumoren das Adenokarzinom des Ösophagus, das Kardia-Karzinom, das Pankreaskarzinom, sowie kolorektale Karzinome, primärer Leberkrebs und Gallenblasenkrebs. Seitens der gynäkologischen Tumoren sind es Ovarialkarzinom, Endometriumkarzinom und Brustkrebs. Außerdem gelten Schilddrüsenkarzinom, Nierenzellkarzinom und multiples Myelom als mit Übergewicht assoziiert. Durch einen bariatrischen Eingriff lässt sich bei schwer adipösen Menschen nicht nur Gewicht reduzieren und die Diabetesprävalenz senken. Die Adipositas-Chirurgie korreliert auch mit einem niedrigeren Krebsrisiko. In einer vor zwei Jahren publizierten Analyse lag die kumulative 10-Jahres-Inzidenz von Adipositas-assoziierten Krebsformen bei bariatrisch operierten Patienten bei 2,9%, gegenüber 4,9% in einer Kontrollgruppe (HR 0,68; 95% CI 0,53-0,87) (Aminian A et al., JAMA 2022; 327(24): 2423–33). Weniger Gewicht, geringeres Krebsrisiko: Auch GLP-1-Agonisten schaffen das! Für die medikamentöse Gewichtsreduktion mit GLP-1-Rezeptoragonisten ist das bisher nicht untersucht worden. Jetzt gibt es aber erste Daten, vorgestellt bei der ASCO-Tagung von Dr. Cindy Lin von der Inneren Medizin am MetroHealth Medical Center der Case Western Universität in Ohio.1 Die Wissenschaftlerin nutzte die TriNetX-Datenbank, eine internationale digitale Patientendatenbank, die annähernd 150 Millionen Patienten aus 17 Ländern umfasst. Für die Studie wurden aus diesem Datenschatz rund 334.000 Menschen mit einem BMI von 35 kg/m2 oder darüber ausgewählt. Diese wurden dann aufgeteilt in solche, die wegen der Adipositas gar nicht behandelt worden waren, solche, die GLP-1-Agonisten erhalten hatten bzw. erhielten und solche, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen hatten. Nach Propensity-Score Matching wurden die GLP-1-Agonisten-Gruppe und die Chirurgie-Gruppe miteinander und jeweils unabhängig voneinander mit unbehandelten Patienten im Hinblick auf Tumoren und Gesamtsterblichkeit verglichen. Für das Matching wurden u.a. Alter und Komorbiditäten, aber auch die BMI-Kategorien herangezogen, um möglichst identische Patientenprofile zu bekommen. Längere Behandlung gleich besserer Schutz? Im Endeffekt habe sich gezeigt, dass es bei den Adipositas-assoziierten Tumoren keinen Unterschied zwischen einer chirurgischen Behandlung und einer GLP-1-Agonisten-Therapie gab: „Bei beiden Therapien gehen die Kaplan-Meier-Kurven nach etwa eintausend Tagen auseinander“, so Lin. Über einen 5-Jahres-Zeitraum gab es in der GLP-1-Agonisten-Gruppe in Bezug auf die 13 Adipositas-assoziierten Tumoren eine Risikoreduktion um 19% (HR: 0,81; 95% CI 0,67-0,98). Bei bariatrischer Chirurgie war es genauso viel (HR: 0,81; 95% CI 0,70-0,93), und im direkten Vergleich zwischen Chirurgie und medikamentöser Therapie gab es keinen signifikanten Unterschied. Aus den Daten zur Gesamtmortalität lasse sich zumindest als Hypothese ableiten, dass eine längere GLP-1-Agonisten-Therapie mehr Nutzen bringe als eine kurze, so Lin. Die Gesamtmortalität in der GLP-1-Agonisten-Gruppe war nämlich erst nach drei Jahren niedriger als in der Kontrollgruppe. Bei bariatrischer Chirurgie war das schon nach einem Jahr der Fall. Keinen Hinweis fanden die Wissenschaftler auf ein erhöhtes Risiko von Schilddrüsentumoren unter GLP-1-Agonisten-Therapie. Das war auf Basis von Tiermodellen eine Zeitlang vermutet worden, hat sich beim Menschen aber bis heute nicht bestätigt. Referenz: 1Lin C et al., J Clin Oncol 2024; 42 (Suppl_16): Abstr. 10508 Quelle: 65. ASCO Annual Meeting, 31. Mai bis 4. Juni 2024, Chicago

Springer Medizin Österreich

Schützt auch die medikamentöse Gewichtsreduktion vor Krebs?

Weiterführende Themen

Springer Medizin Österreich

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen