Eine akute infektiöse Gastroenteritis ist eine häufige Erkrankung bei Kindern. Die Behandlung gemäß den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Hepatologie (ESPGHAN) konzentriert sich darauf, eine Rehydrierung innerhalb von 4 h mit einer hypoosmolaren oralen Rehydrierungslösung (ORL) zu erreichen. Während der Rehydrierungs- und Realimentationsphase wird empfohlen, dass Mütter weiterhin stillen. Die Realimentation mit normaler Kost soll früh erfolgen, bereits nach 4 h Rehydrierung. Weiterer Flüssigkeitsverlust durch Diarrhoe nach erfolgter Rehydrierung sollte durch ORL ausgeglichen werden. Der Einsatz unnötiger Medikamente sollte vermieden werden. In Österreich halten sich Kinderärzt:innen genauer an diese ESPGHAN-Empfehlungen als der europäische Durchschnitt. Angesichts der Bedeutung des Themas im kinderärztlichen Alltag ist es jedoch ratsam, das Management der akuten Gastroenteritis regelmäßig zu überprüfen und vertieft zu behandeln. Dabei ist es auch sinnvoll, Anregungen zur Überprüfung etablierter Standardmaßnahmen, die sich eingeschlichen haben könnten, sowie potenzieller Verstöße gegen Leitlinien im täglichen Arbeitsbereich der Kinderärzt:innen anzubieten.
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Ein 7 Monate alter Bub hat seit 2 Tagen 5 bis 6 nichtblutige, durchfällige Stühle pro Tag ohne Fieber. Er wird mit einer 1‑er Formelnahrung und altersgemäßer Beikost ernährt. Die körperliche Untersuchung zeigt Zeichen einer milden Dehydrierung, nämlich trockene Schleimhäute, etwas eingesunkene Bulbi und 375 g Gewichtsverlust (Ausgangsgewicht in der Vorwoche 7900 g). Welche Maßnahmen sind erforderlich? Welche Blut- und Stuhluntersuchungen sind notwendig? Kann das Kind ambulant versorgt werden oder ist eine stationäre Aufnahme nötig? Soll die Rehydrierung oral oder intravenös erfolgen? Welche Rehydrierungslösungen sollen verwendet werden? Wann und mit welcher Nahrung soll die Realimentation erfolgen? Welche Medikamente benötigt das Kind?
Der Begriff „Diarrhoe“ beschreibt eine erhöhte Stuhlfrequenz von drei oder mehr breiigen oder flüssigen Stuhlgängen pro Tag oder eine häufigere Entleerung als gewöhnlich. Diese Erkrankung wird meist durch Magen-Darm-Infektionen ausgelöst, die durch Viren, Bakterien und Parasiten übertragen werden. Der Übertragungsweg erfolgt häufig über kontaminiertes Wasser, Lebensmittel oder direkten Kontakt mit infizierten Personen. Laut WHO erkrankten im Jahr 2009 weltweit Kinder unter 5 Jahren an 2,5 Mrd. Episoden von Diarrhoe, während 2017 ein Rückgang auf 1,7 Mrd. Fälle zu verzeichnen war. Am häufigsten betroffen sind Regionen wie Südasien und Afrika. Unterernährte oder immungeschwächte Kinder sind besonders gefährdet, da der Flüssigkeitsverlust bei ihnen schneller lebensbedrohlich werden kann.
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Akute, persistierende und chronische Diarrhoe unterscheiden sich in ihrer Dauer und Ursache. Eine akute Diarrhoe tritt plötzlich auf und dauert weniger als 2 Wochen. Eine persistierende Diarrhoe dauert länger als 14 Tage und hat eine infektiöse Ursache. Chronische Diarrhoe umfasst alle Durchfallerkrankungen, die über 14 Tage hinaus andauern, unabhängig von ihrer Ursache. Dazu gehören auch angeborene, immunologische und funktionelle Erkrankungen. In Entwicklungsländern werden langanhaltende Durchfälle typischerweise durch Parasiten, Mangelernährung und HIV verursacht.
Eine akute Diarrhoe tritt plötzlich auf und dauert weniger als zwei Wochen
In Entwicklungsländern ist akute infektiöse Gastroenteritis eine häufige Todesursache bei Säuglingen und Kleinkindern. Dank der Anstrengungen von WHO und UNICEF sank die Zahl der verstorbenen Kinder unter 5 Jahren von 3 Mio. (1980) auf 0,5 Mio. (2015). Die orale Rehydrierungstherapie mit oraler Rehydrierungslösung (ORL) trug wesentlich zu dieser Sterblichkeitsreduktion bei.
Nicht lebensbedrohlich, aber kostenintensiv
In Europa verlaufen Erkrankungen meist leicht bis mittelschwer, Todesfälle sind selten. In Österreich verursachen sie dennoch hohe Kosten durch stationäre Aufnahmen und nosokomiale Infektionen. Häufigste Erreger sind Viren wie Rota‑, Noro‑, Entero‑, Corona- und Astroviren sowie Bakterien wie Campylobacter, Yersinien, Shigellen, Salmonellen, E. coli, Vibrio cholerae und Clostridoides difficile. Auch Parasiten spielen eine Rolle, darunter Lamblien, Kryptosporidien (besonders im Sommer und Herbst) und Amöben.
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Kinder erleben in den ersten 3 Lebensjahren durchschnittlich 1 bis 2 Episoden von Gastroenteritis pro Jahr, hauptsächlich verursacht durch Viren. In den letzten 4 Jahren war in Deutschland das Norovirus der häufigste Verursacher einer infektiösen Gastroenteritis bei Kindern unter 5 Jahren, noch vor dem durch die Schluckimpfung zurückgedrängten Rotavirus und Campylobacter. Bakterielle Erreger werden bei 20 % der Kinder in dieser Altersgruppe im Stuhl nachgewiesen, während Parasiten für weniger als 5 % der Fälle verantwortlich sind.
Die Pathophysiologie der akuten infektiösen Gastroenteritis ist eng mit dem Flüssigkeits- und Salzverlust durch Durchfall und Erbrechen verbunden. Dieser kann beträchtlich sein, bis zum Dreifachen des zirkulierenden Blutvolumens, was etwa 150–250 ml/kgKG/Tag entspricht (zum Vergleich: Das zirkulierende Blutvolumen eines Neugeborenen beträgt 80 ml pro kgKG). Je jünger das Kind, desto größer ist das Risiko einer Dehydration aufgrund von Wasser- und Elektrolytverlusten. Der Körper kann diese Verluste eine Zeit lang ausgleichen, indem er Flüssigkeit aus den Zellen zieht, um das Blutvolumen aufrechtzuerhalten. Langfristig führt dies jedoch zu Exsikkose sowie Katabolismus. Eine Konsequenz davon kann eine Azidose sein, begleitet von azetonämischem Erbrechen und einem Circulus vitiosus, der hypovolämischen Schock und akutes Nierenversagen nach sich ziehen kann.
Im Säure-Basen-Haushalt führt Erbrechen zunächst zu einer Alkalose aufgrund des Verlusts von saurem Magensaft, während Durchfall anfangs eine Azidose durch den Verlust von bikarbonatreichem Darmsekret verursacht. Elektrolytstörungen sind ebenfalls häufig und können Hypernatriämie, Hyponatriämie, Hypochlorämie und Hypokaliämie umfassen, hauptsächlich aufgrund des Flüssigkeits- und Elektrolytverlusts.
Bei Behandlung Richtlinien heranziehen
Bezüglich der Betreuung von Kindern mit einer Gastroenteritis sollten zwei Richtlinien von Fachgesellschaften besonders berücksichtigt werden. Die Managementrichtlinien der europäischen Kindergastroenterologischen Gesellschaft wurden bereits vor 10 Jahren, im Jahr 2014, veröffentlicht. Im Sommer 2019 wurden die Leitlinien der AWMF unter Beteiligung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) aktualisiert.
Bei der Anamnese und körperlichen Untersuchung bei Gastroenteritis sollten bestimmte Schritte durchgeführt werden, um den Schweregrad der Dehydratation zu beurteilen und eine angemessene Behandlung einzuleiten. Bei der Anamnese sollte eine strukturierte Vorgehensweise angewendet werden (Tab. 1). Nicht jedes Kind mit Gastroenteritis muss persönlich untersucht werden, besonders in Pandemiezeiten kann telefonische Betreuung hilfreich und ausreichend sein. Die Anamnese beinhaltet Dauer, Häufigkeit und Intensität von Durchfall und Erbrechen, Fieber, letztes Körpergewicht, Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme sowie Urinproduktion, das Vorhandensein von Blut im Stuhl, Umgebungsanamnese, Auslandsaufenthalte und Impfungen gegen Rotaviren sowie eventueller Tierkontakt. Bei blutigen Stühlen und Verdacht auf bakterielle Infektionen, insbesondere durch enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) soll nach dem Verzehr von Rohmilch, ungegartem Fleisch und Kontakt zu Kühen gefragt werden.
Tab. 1
Übersicht zur Anamnese bei akuter infektiöser Gastroenteritis
Dauer, Häufigkeit und Intensität von Durchfall und Erbrechen
Letztes Körpergewicht
Vorhandensein von Fieber
Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme
Urinproduktion
Vorhandensein von Blut im Stuhl
Umgebungsanamnese
Auslandsaufenthalte in den letzten Wochen
Impfstatus bezüglich Rotaviren
Kontakt mit Tieren
Bei blutigem Stuhl und Verdacht auf enterohämorrhagische E. coli: Fragen zum Verzehr von Rohmilch, ungegartem Fleisch und Kontakt zu Kühen
„Red flag signs“ für ärztliche Vorstellung
Frühes Säuglingsalter
Vorhandensein von Grundkrankheiten
Persistierendes Erbrechen und Durchfall
Hohes Fieber
Trinkverweigerung in den letzten 4 h
Einschränkung der Harnproduktion in den letzten 24 h
Es gibt bestimmte „red flag signs“, die eine ärztliche Vorstellung des Kindes unbedingt erforderlich machen. Dazu gehören das junge Säuglingsalter, eventuell bestehende Grundkrankheiten wie Stoffwechsel- und Darmerkrankungen oder Immundefekte, persistierendes Erbrechen und Durchfall, hohes Fieber, eine Trinkverweigerung > 4 h sowie die Einschränkung der Urinproduktion in den letzten 24 h.
Bei der körperlichen Untersuchung liegt der Fokus darauf, das Ausmaß der Dehydration abzuschätzen (Tab. 2). Hierfür wird der Dehydratations-Score nach Friedmann verwendet. Dabei erfolgt zunächst eine Beurteilung des allgemeinen Erscheinungsbilds und des Bewusstseinszustands. Ein Kind mit leichter bis mittelschwerer Dehydration kann unruhig, irritabel oder müde wirken. Während ein Kind ohne Dehydration normalen Durst zeigt, besteht bei leichter bis mittelschwerer Dehydration ein starkes Verlangen nach Flüssigkeit. Bei schwerer Dehydration, die mit einem Gewichtsverlust von über 9 % einhergeht, drohen Apathie und Koma, wobei das Kind aufgrund der Schwäche dann nicht mehr trinken kann. Für die Berechnung des Dehydratations-Scores nach Friedmann wird weiters der Zustand der Augen bewertet, um festzustellen, ob die Bulbi eingesunken sind, die Feuchtigkeit der Schleimhäute geprüft und überprüft, ob das Kind Tränen in den Augen hat.
Tab. 2
Körperliche Untersuchung und Bewertung des Dehydratationsstatus
Schritte
Score
1. Beurteilung des allgemeinen Erscheinungsbilds und des Bewusstseinszustands
Keine Dehydration: normales Durstempfinden
(0)
Leichte bis mittelschwere Dehydration: Durst, Unruhe, Irritabilität, Müdigkeit
(1)
Schwere Dehydration: Kaltschweißigkeit, Apathie, Koma, Unfähigkeit zu trinken
(2)
2. Bewertung der Augen
Eingesunkene Bulbi bei Dehydration
–
Leicht
(1)
Extrem
(2)
3. Überprüfung der Feuchtigkeit der Schleimhäute
Feucht
(0)
Klebrig
(1)
Trocken
(2)
4. Überprüfung auf Tränen in den Augen
Vorhanden
(0)
Wenig
(1)
Keine
(2)
Die Beurteilung des Dehydratationsgrads erfolgt zusätzlich zum Dehydratations-Score nach Friedmann anhand des prozentualen Gewichtsverlusts und der kapillären Füllungszeit (Tab. 3). Eine verlängerte kapilläre Füllungszeit wird definiert als eine Zeit von mehr als 2 s. Durch die Berücksichtigung dieser Faktoren kann eine Einteilung der Dehydratation in keine, leichte, mittelgradige und schwere vorgenommen werden.
Tab. 3
Beurteilung des Dehydrierungsgrads
Dehydrisierungsgrad
Prozentualer Gewichtsverlust
Kapilläre Füllungszeit
Dehydratations-Score nach Friedmann
Keine
0
< 2 s
0
Leicht
3–5
2 s
1–4
Mittelgradig
6–10
3–4 s
–
Schwer
> 10
> 4 s
5–8
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Falls keine Dehydratation festgestellt wird, sollten die Kinder nach umfassender Aufklärung der Eltern, einschließlich der Aushändigung schriftlicher Informationen wie die Elterninfo „Mein Kind hat Durchfall“ der deutschen Gesellschaft für Kinderjugendheilkunde (Elterninfo Durchfall – Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. [dgkj.de]) und eines Rezepts für eine orale Rehydrierungslösung (ORL), nach Hause entlassen werden (Abb. 1).
Abb. 1
Bei schwerer Dehydration erfolgt eine Kreislaufstabilisierung auf der Intensivstation. Bei leichter bis moderater Dehydration wird eine orale Rehydrierungslösung (ORL) verabreicht. (Nach einer Stunde wird der Erfolg bewertet: Bei Erfolg wird das Kind weiter rehydriert, sonst wird eine nasogastrische Sonde gelegt und die ORL kontinuierlich verabreicht. Erfolgreich rehydrierte Kinder werden mit Anweisungen entlassen)
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Die Elterninfo empfiehlt, dass, wenn das Kind gestillt wird, die Mutter ermutigt werden sollte, häufiger als gewöhnlich zu stillen und jedes Mal länger zu stillen.
Fortlaufende Flüssigkeitsverluste durch ORL ersetzen
Wenn das Kind nicht ausschließlich gestillt wird, sollten orale Erhaltungsflüssigkeiten wie sauberes Wasser, Suppe, Reiswasser, Joghurtgetränke in folgender Rate verabreicht werden: etwa 500 ml/Tag für Kinder unter 2 Jahren, 1000 ml/Tag für Kinder im Alter von 2–10 Jahren und 2000 ml/Tag für Kinder über 10 Jahren. Fortlaufende Flüssigkeitsverluste sollten durch ORL ersetzt werden: 50–100 ml für Säuglinge und 100–150 ml für Kinder nach jedem flüssigen Stuhl oder Erbrechen (Tab. 4).
Tab. 4
Flüssigkeitsersatztherapie bei Durchfall ohne Zeichen einer Dehydration
Empfehlungen für Säuglinge
50–100 ml Glukoseelektrolytlösung nach jedem flüssigen Stuhl oder Erbrechen
Empfehlungen für Kinder
100–150 ml Glukoseelektrolytlösung nach jedem flüssigen Stuhl oder Erbrechen
Bei leichter bis mittelgradiger Dehydrierung hingegen sollten die Kinder jedoch den berechneten Flüssigkeitsverlust innerhalb eines klar definierten Zeitraums in Form von ORL erhalten (Abb. 1).
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Die orale Rehydrierung sollte innerhalb von 2 bis 4 h erfolgen, wobei das errechnete Volumen über diesen Zeitraum verabreicht werden soll. Bei leichter Dehydration (3–5 %) beträgt dies 30 bis 50 ml/kgKG und bei mäßiger Dehydration (> 5–8 %) 60 bis 80 ml/kg in 2 bis 4 h (Tab. 5). Für Schulkinder und Erwachsene liegen die entsprechenden Werte pro Kilogramm Körpergewicht niedriger.
Tab. 5
Empfehlungen für orale Rehydrierung und praktische Umsetzung
Empfehlungen für orale Rehydrierung
Leichte Dehydration (3–5%):
30 bis 50 ml/kg Körpergewicht in 2–4 h
Mäßige Dehydration (>5–8%):
60 bis 80 ml/kg Körpergewicht in 2–4 h
Praktische Umsetzungshinweise
Verwendung eines Löffels oder einer Spritze zur Verabreichung der Rehydrierungslösung
Schema für Säuglinge (5–9 kg):
Alle Minuten 2 ml der Lösung, um innerhalb einer Stunde 120 ml Flüssigkeit zuzuführen
Nach dem Abklingen des Erbrechens größere Volumina mit größerem Abstand verabreichen:
Alle 5 min 10–15 ml oder alle 10 min 20–30 ml
Für die praktische Umsetzung der oralen Rehydrierung empfiehlt sich die Verwendung eines Löffels, einer oralen Spritze oder einer Pipette, um die Rehydrierungslösung effektiv in den Mund des Kindes zu geben. Ein bewährtes Schema sieht vor, dass z. B. ein Säugling zwischen 5 und 9 kg pro Minute 2 ml der Lösung erhält, um innerhalb einer Stunde 120 ml Flüssigkeit zuzuführen. Sobald kein Erbrechen mehr auftritt, können größere Volumina mit größerem Abstand verabreicht werden. Hierbei werden alle 5 min 10–15 ml oder alle 10 min 20–30 ml verabreicht. Nach der initialen Rehydrierungsphase können die Kinder auf Erhaltungsflüssigkeiten umgestellt werden.
Worauf beruht die Wirkungsweise der oralen Rehydrierung mit ORL? ORL nutzt den Mechanismus des Na/Glukose-Cotransporters, um die Resorption von Wasser und Elektrolyten im Darm zu fördern (Abb. 2):
1.
Na/Glukose-Cotransport: Der Na/Glukose-Cotransporter (SGLT1) in den Epithelzellen des Jejunums transportiert pro Molekül Glukose auch 2 Moleküle Natrium aus dem Darmlumen in die Zellen.
2.
Basolaterale Na/K-ATPase: An der basolateralen Membran der Epithelzellen befördert die Na/K-ATPase Natrium aus der Zelle in das Blut, wobei Kalium in die Zelle transportiert wird. Dies hält die Natriumkonzentration in der Zelle niedrig und ermöglicht den kontinuierlichen Na/Glukose-Transport.
3.
Osmotischer Wassertransport: Der Transport von Natrium in die Zellen und anschließend ins Blut schafft einen osmotischen Gradienten, dem Wasser passiv folgt. Dies führt zur Resorption von Wasser aus dem Darmlumen in den Körper.
Abb. 2
Glukose (G) und Natrium (Na) werden durch den SGLT1-Cotransporter aus dem Darmlumen in die Epithelzelle aufgenommen. Kalium (K) und Natrium werden durch die Na-K-ATPase zwischen der Epithelzelle und dem Blut ausgetauscht. Glukose wird durch den GLUT2-Uniporter aus der Epithelzelle ins Blut transportiert. Wasser (H2O) folgt dem osmotischen Gradienten und wird zusammen mit den Ionen und Glukose absorbiert
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Der Na/Glukose-Cotransporter (SGLT1) arbeitet am effektivsten, wenn ihm luminal eine Glukosekonzentration zwischen 74 und 111 mmol/l angeboten wird, wie es sowohl bei der ESPGHAN- als auch bei der WHO-ORL-Lösung der Fall ist. Die WHO-Lösung hat im Vergleich zur ESPGHAN-Lösung einen höheren Natriumgehalt, da sie speziell für die Behandlung von Cholera konzipiert wurde. In Europa sind so hohe Natriumverluste, wie sie bei Cholera auftreten, selten. Daher empfiehlt die ESPGHAN eine orale Rehydrierungslösung (ORL) mit einem geringeren Natriumgehalt (ORL mit Na 60 mmol/l; 200–250 mosol/l).
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Eine Cochrane-Analyse von 17 randomisierten kontrollierten Studien bei Kindern mit infektiöser Enteritis (n = 1811) zeigte, dass nur eines von 25 Kindern mit oraler Rehydrierung ein Therapieversagen aufwies, d. h. die Umwandlung der oralen in eine intravenöse Therapie, notwendig hatte. Diese hohe Erfolgsrate unter Studienbedingungen mit strengen Einschlusskriterien für eine intravenöse Therapie widerlegt die von Ärzt:innen und Pflegepersonen häufig geäußerte Meinung, eine orale Rehydrierung sei in vielen Fällen nicht möglich. Todesfälle waren selten, aber dreimal häufiger bei intravenöser Rehydrierung (6 versus 2). Die Kinder wiesen keinen signifikanten Unterschied zwischen oraler und intravenöser Therapie bezüglich des Risikos einer Hypo- oder Hypernatriämie auf.
Bei oraler Rehydrierung verkürzte sich der Krankenhausaufenthalt signifikant um 1,2 Tage
Bei oraler Rehydrierung verkürzte sich der Krankenhausaufenthalt signifikant um 1,2 Tage. Phlebitisprobleme gab es natürlich nur in der intravenös rehydrierten Gruppe.
Was ist zu tun, wenn die ambulante Rehydrierung nicht gelingt bzw. welche Faktoren machen eine stationäre Betreuung von Kindern erforderlich? Kleine Säuglinge, schwere chronische Grunderkrankungen, blutige Diarrhoe und natürlich Anzeichen von Schock bzw. schwerer Dehydrierung erfordern eine stationäre Betreuung (Tab. 6).
Tab. 6
Stationäre Versorgungsbedürftigkeit bei akuter Gastroenteritis
Kriterium
Beschreibung
Alter
Säuglinge unter < 3500 g oder jünger als 2 Monate oder Kinder mit bestimmten Risikofaktoren wie Frühgeburtlichkeit
Dehydratationsgrad
Schock oder schwere Dehydrierung, die eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr erfordert oder Zustand nach gescheiterter oraler/enteraler Rehydrierung
Vorhandensein von chronischen Grunderkrankungen wie Immunschwäche oder schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Malnutrition oder Gedeihstörung
Soziale Faktoren
Mangelnde Verfügbarkeit von angemessener häuslicher Pflege, insbesondere bei sozial benachteiligten Familien
Das schockierte Kind soll 20–40 ml/kg 0,9 % Kochsalzlösung oder Ringerazetat in 15 bis 30 min erhalten; nach Kreislaufstabilisierung erhält es zur i.v.-Rehydrierung 20 ml/kg über 2 bis 4 h (Abb. 1). Dazu wird ein i.v.-Zugang gelegt und es erfolgt die sofortige Gabe einer passenden Infusionslösung nach Blutabnahme. Das Kind sollte dann möglichst schnell auf die Intensivstation verlegt werden. Nach Kreislaufstabilisierung soll wiederholt geprüft werden, ob ein Umstieg auf eine orale Rehydrierungstherapie schon möglich ist.
Untersuchungen, die über körperliche Untersuchung und Anamnese hinausgehen, wie z. B. Laboruntersuchungen, sind nur sehr selten notwendig. Mikrobiologische Stuhluntersuchung sollen dann durchgeführt werden, wenn die Stühle blutig sind, wenn eine schwere und protrahierte Diarrhoe vorliegt, wenn eine systemische Infektion oder prolongiertes hohes Fieber bestehen oder wenn das Kind durch eine Grundkrankheit oder Medikamente immunsupprimiert ist. Blutuntersuchungen sind nur dann notwendig, wenn eine schwere Dehydrierung besteht und/oder eine i.v.-Therapie geplant ist. Außerdem sollen BUN, Elektrolyte und eine Blutgasanalyse erfolgen, wenn klinisch der Verdacht auf eine Hypernatriämie besteht. Bei einer Hypernatriämie kann der Grad der Dehydratation durch den teigig-pastösen Turgor maskiert werden, die Kinder zeigen häufig neurologische Symptome wie erhöhten Muskeltonus, Hyperreflexie, Krampfanfälle, Somnolenz oder Koma. Natürlich sollen Laboruntersuchungen auch dann erfolgen, wenn Zweifel an der Diagnose akute Gastroenteritis bestehen.
Sinnvolle Maßnahmen setzen
Welche Maßnahmen außer der Verabreichung von ORL sind noch sinnvoll? Die Gabe von Loperamid, Tierkohle, Colestyramin und Wismuthsalzen ist nicht indiziert. In mehreren randomisiert-kontrollierten Studien konnte hingegen die Wirksamkeit von Ondansetron gezeigt werden in puncto Reduktion von Erbrechen und Reduktion des Risikos für eine intravenöse Therapie. Ein zusätzlicher therapeutischer Effekt konnte außerdem für Zink in Entwicklungsländern und Racecadotril nachgewiesen werden.
Wie soll sich die Realimentation gestalten? Was ist z. B. bei der Ernährung von vollgestillten Kindern mit akuter Gastroenteritis besonders zu beachten? Zwischen den Gaben von ORL-Lösung sollte weiter gestellt werden. Nichtgestillte Säuglinge sollen ihre Säuglingsmilchnahrung in unverdünnter Form in häufigen kleinen Mahlzeiten, aber erst nach erfolgter Rehydrierung erhalten. Insgesamt gilt der Grundsatz „Realimentation erst nach abgeschlossener Rehydrierungsphase“ für alle anderen Kinder auch. Dabei soll ihnen altersgemäße normale Kost vorgesetzt werden. Insbesondere ist darauf zu achten, dass keine Fettreduktion zu erfolgen hat nach dem Sistieren von Erbrechen. Eine geeignete „Durchfallsnahrung“ sind z. B. Nudeln mit Butter oder Olivenöl, eine Speise, die von vielen Kindern geschätzt wird.
Zurück zum anfänglichen Fall: Welche Maßnahmen sind für diesen Säugling erforderlich? Welche Blut- und Stuhluntersuchungen sind notwendig?
Merke.
Bei leichter bis mäßiggradiger akuter Durchfallerkrankung sind in der Regel keine Blutuntersuchungen oder ein Erregernachweis erforderlich.
Kann das Kind ambulant versorgt werden oder ist eine stationäre Aufnahme nötig?
Um nosokomiale Infektionen zu vermeiden, sollte das Kind, wenn möglich, ambulant geführt werden.
Soll die Rehydrierung oral oder intravenös erfolgen?
Säuglinge und Kinder, die oral oder enteral rehydriert werden können, sollten keine intravenöse Therapie erhalten.
Wie schnell sollte rehydriert werden?
Zur oralen Rehydrierung sollten innerhalb der ersten 2–4 h portionsweise die Menge des geschätzten Flüssigkeitsverlusts verabreicht werden.
Womit sollte die orale Rehydrierung erfolgen?
Es wird empfohlen, eine von der ESPGHAN empfohlene hypotone orale Rehydratationslösung (ORL) mit einem reduzierten Natriumgehalt zu verwenden.
Wann und womit sollte die Realimentation erfolgen?
Teepausen, längere Nahrungskarenz oder fettarme Aufbaukost sind nicht mehr empfohlen. Bei nichtgestillten Säuglingen sollte unverdünnte Säuglingsmilch in häufigen kleinen Mahlzeiten gegeben werden.
Welche Medikamente sollen beim Management der akuten Gastroenteritis zum Einsatz kommen?
Medikamente bieten begrenzte Vorteile, verursachen Kosten und können von der zentralen Therapie, nämlich der oralen oder enteralen Rehydrierung, ablenken.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
A. Vécsei gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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