Pulmonalarterienembolie
Für die Pulmonalarterienembolie wurde 2014 eine neue Leitlinie der europäischen kardiologischen Gesellschaft (ESC) in Kooperation mit der europäischen pneumologischen Gesellschaft (ERS) herausgegeben [
1]. Diese wurde durch eine Vielzahl neuer Studiendaten untermauert. Das führte unter Anderem dazu, dass die Schweregradeinteilung der Lungenembolie revidiert wurde. Auf Basis der aktuellen Evidenz unterscheiden wir jetzt Lungenembolien mit
hohem Risiko,
intermediär hohem Risiko,
intermediär niedrigem Risiko und
niedrigem Risiko.
Die Hochrisiko Lungenembolie erkennt man am kardiogenen Schock. Sie stellt nach wie vor eine klare Indikation zur sofortigen Thrombolysetherapie dar. Alternativ kann eine Katheterfragmentation oder eine Embolektomie in Frage kommen, wenn die strukturellen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die
Niedrigrisiko Lungenembolie hat definitionsgemäß ein so niedriges Mortalitätsrisiko, dass es möglich ist, diese Patienten vom Anfang an ambulant zu behandeln. Man erkennt sie an einem sPESI von 0. Die Bezeichnung „sPESI“ steht für den simplified PESI (pulmonary embolism severity index). Es handelt sich um ein validiertes Instrument zur Abschätzung der Mortalität bei akuter Lungenembolie [
2,
3]. Die Faktoren Alter > 80 Jahre, aktives Krebsleiden, chronische Herz-oder Lungenkrankheit, Puls > 110/min, systolischer Blutdruck < 100 mmHg, Sauerstoffsättigung < 90 % zählen jeweils einen Punkt. Wenn der Patient keinen dieser Faktoren hat, so beträgt sein sPESI 0 Punkte. Der sPESI ist sehr gut geeignet für die Kitteltasche und auch einfach zu merken.
Die Intermediär-niedrig Risikogruppe soll stationär aufgenommen werden, wenn auch nicht primär auf die Intensivstation. Solche Patienten erkennt man daran, dass sie entweder eine normale rechtsventrikuläre Funktion oder ein normales BNP bzw. Troponin haben.
Bei der Intermediär-hoch Risikogruppe muss der Patient in Lysebereitschaft überwacht werden. Das heißt in aller Regel: Aufnahme auf der Intensivstation. Diese Patienten erkennt man daran, dass sie eine rechtsventrikuläre Dilatation und ein erhöhtes BNP bzw. Troponin haben.
Nach überstandener Lungenembolie muss jeder Patient antikoaguliert werden. Lag der Lungenembolie ein transientes Risiko zugrunde, welches jetzt nicht mehr besteht, so genügt eine Antikoagulation von 3 Monaten. Liegt dagegen ein persistierendes Thromboembolierisiko vor, so wird eine längerfristige Antikoagulation empfohlen, sofern es keine Kontraindikationen dagegen gibt. Die Leitlinie ermahnt aber an mehreren Stellen, im langfristigen Verlauf immer wieder neu eine Abschätzung von Nutzen und Risiko der Antikoagulation vorzunehmen.
Wenn man sich unsicher ist, ob ein persistierendes oder ein transientes Risiko für die Thromboembolie vorlag, so kann man sich den D-Dimer Test zu Hilfe nehmen. Vier Wochen nach Absetzen der Antikoagulation wird das D-Dimer gemessen. Wenn es erhöht ist, hat man ein starkes Argument, die Antikoagulation länger fortzusetzen. Ist es normal, kann man in Erwägung ziehen, die Antikoagulation endgültig abzusetzen. Eine aktuelle Studie hat festgestellt, dass das Rezidivrisiko bei diesen Patienten noch immer inakzeptabel hoch sein kann, insbesondere bei Männern [
4].
Patienten mit einer zweiten venösen Thromboembolie sollten jedenfalls lebenslang antikoaguliert werden, sofern es keine starken Gegenargumente gibt. Ansonsten ist das Risiko für wiederholte thromboembolische Ereignisse als sehr hoch einzuschätzen. Der Stellenwert von Thrombophiliefaktoren in der plasmatischen Gerinnung (Faktor V Leiden, etc.) in den Guidelines ist derzeit sehr gering. Auch in der Schwangerschaft sind solche Faktoren nicht wirklich hilfreich für die Entscheidung für oder gegen eine Antikoagulation [
5]. Ausnahme ist ein hochtitriges Lupus Antikoagulans.
Diagnostik
Der Goldstandard zum Nachweis einer akuten pulmonal arteriellen Embolie ist das Computertomogramm (CT) in Form einer CT-Pulmonalisangiographie (CTPA). Diese Untersuchung hat eine sehr gute Spezifität und Sensitivität. Nur wenn es aufgrund der anamnestischen Angaben und der klinischen Befunde eher unwahrscheinlich ist, dass eine Lungenembolie vorliegt, so sollte zunächst der D-Dimer Test durchgeführt werden. Wenn der dann negativ ist, kann getrost auf eine weitere Abklärung mittels CT verzichtet werden, denn das Risiko für das Vorliegen einer Lungenembolie ist denkbar gering. Ist er positiv, so muss die CTPA erfolgen. Deuten die Anamnese oder der klinische Befund darauf hin, dass tatsächlich eine Lungenembolie vorliegt (mittlere oder hohe Vortestwahrscheinlichkeit), so ergibt das D-Dimer keinen Sinn. Stattdessen wird von vornherein eine CTPA empfohlen. Bei Kontrastmittelunverträglichkeit oder Niereninsuffizienz ist dann die Perfusionsszintigraphie die Methode der Wahl zum Ausschluss einer Lungenembolie. Das gilt auch in der Schwangerschaft. Wenn das native Röntgenbild normal ist, aber die Perfusionsszintigraphie einen typischen Befund zeigt, dann gilt das als Nachweis der Embolie und eine Ventilationsszintigraphie ist nicht erforderlich. Allerdings kann hierbei auch eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie vorliegen, die eine seltene aber wichtige Differentialdiagnose der akuten Lungenembolie im Szintigramm darstellt. Ist eine venöse Thromboembolie eher unwahrscheinlich (niedrige Vortestwahrscheinlichkeit) und das D-Dimer ist niedrig, so kann auf eine CTPA und auf eine Antikoagulation verzichtet werden.
DOAK’s
Die direkten oralen Antikoagulantien stellen eine der wichtigsten pharmakologischen Innovationen der letzten Jahre dar. Sie haben im Wesentlichen die Wirkungen wie ein Heparinoid, werden aber als Tabletten eingenommen. Die Wirkung setzt schnell ein und hat eine im Vergleich zu Vitamin K Antagonisten kurze Halbwertszeit. Weder Spiegelkontrollen noch funktionelle Kontrollen der Gerinnung sind erforderlich. Die Datenevidenz für den Vergleich zwischen DOAKs und konventionellen Antikoagulantien wie Marcumar oder Sintrom zeigte, dass die DOAKs den konventionellen Medikamenten keinesfalls unterlegen sind, sofern es sich um die Indikationen akute Lungenembolie, Rezidivprophylaxe und Langzeitrezidivprophylaxe handelt. Das gleiche gilt für das nicht-valvuläre Vorhofflimmern und die entsprechende Apoplex Prophylaxe. Dies ist im Übrigen die mit Abstand häufigste Indikation für DOAKs. Dagegen sind die DOAKs nach bisherigem Kenntnisstand für das valvuläre Vorhofflimmern und die VTE Prophylaxe bei künstlichen Herzklappen nicht geeignet. Diese Patienten brauchen also weiterhin einen Vitamin K Antagonisten, ebenso wie Dialysepatienten und Kinder.
Seitens der Nebenwirkungen stehen Blutungen im Vordergrund, wie erwartet. Allerdings gibt es hier Vorteile gegenüber den Vitamin K Antagonisten, insbesondere bezüglich intrazerebraler Blutungen. Auch bei akuten Notfalloperationen oder bei Trauma scheinen DOAK vorteilhaft gegenüber Vitamin K Antagonisten zu sein.
Allgemein wird die Anwendung von DOAKs nicht empfohlen bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Schwangerschaft und Stillzeit, klinisch relevanter Blutung oder Koagulopathie, gastrointestinaler ulcerativer Erkrankung und bakterieller Endokarditis. Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Anwendung von anderen Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern. Wenn bei einer akuten Lungenembolie noch nicht absehbar ist, ob eine
Lysetherapie notwendig sein wird, sollte kein DOAK eingesetzt werden, sondern
unfraktioniertes Heparin. Die Anwendung von DOAKs bei Tumorpatienten wurde nicht ausreichend geprüft und wird daher nicht offiziell empfohlen. Das Gleiche gilt für Kinder unter 18 Jahren. Tab.
1 gibt eine Übersicht über die zugelassenen DOAKs in der Indikation „venöse Thromboembolie und Rezidivprophylaxe“ und die verschiedenen Faktoren, die zu beachten sind, wenn es um eine Dosisreduktion oder eine Kontraindikation geht.
Tab. 1
Aktuell in Österreich zugelassene DOAKs in der Indikation akute venöse Thromboembolie und Rezidivprophylaxe.
Dabigatran | Pradaxa® | Heparinoid für 5 Tage | 2x150 mg | Alter > 80 J; GFR < 50 ml/mina; P-gp Inhibitorenb
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Rivaroxaban | Xarelto® | 2x15 mg für 3 Wochen | 1x20 mg | GFR < 30 ml/minc; Vorsicht bei Cyp3A4 und P-gp Inhibitoren und Induktorend
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Apixaban | Eliquis® | 2x10 mg für 7 Tage | 2x5 mg bis 6 Mon, dann 2x2,5 mg | Cr > 1,5 mg%d, e, f; Alter > 80 J; KG < 60 Kg |
Edoxaban | Lixiana® | Heparinoid für 5 Tage | 1x60 mg | GFR < 50 ml/minc; KG < 60 kg; P-gp Inhibitorenb
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