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14.02.2025 | Tekal

Schokolade ist Kopfsache

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Darum ist für Süßes immer Platz.

Sie werden sich sicher schon oft gefragt haben, wie es möglich ist, immer noch eine kleine Süßigkeit verzehren zu können, obwohl man nach einem opulenten Mahl kaum mehr schnaufen kann. Nein? Dann habe zumindest ich mir diese Frage öfter gestellt. Ich begreife es nämlich nicht. Da vertraut man auf sein natürliches Völlegefühl, glaubt, der Körper wird einem schon Einhalt gebieten und irgendwelche Rezeptoren – wozu haben wir sie – werden melden, dass wir bereits genügend Kalorien zugefügt haben. Doch weit gefehlt. Vielmehr scheint für den Organismus ein sättigendes Essen keine Kontraindikation für die Schoki danach zu sein. Irgendwie dürfte es ein evolutiver Vorteil zu sein, wenn man als Nachtisch nicht an einer weiteren bitteren Wurzel kaut, sondern süße Früchte zu sich nimmt. Und vermutlich können jene Personen, die das Buffetdinner am Ärztekongress mit Mousse au Chocolat beenden, im Vergleich zu jenen, die glauben, dass Käse den Magen schließt, schneller vor dem Säbelzahntiger davonlaufen.

Nun haben Kölner Forscher festgestellt, dass der Grund für die Lust auf Zucker, nicht im Magen zu suchen ist, sondern ein paar Etagen weiter oben, im Gehirn, dort, wo sich zahlreiche Opiatrezeptoren in der Nähe der Sättigungsrezeptoren befinden. Ein solches Naheverhältnis aus Sucht und Appetit kann schon mal fatal sein. Und es sind scheinbar sogar dieselben Nervenzellen, die uns nach einer Mahlzeit sättigen und gleichsam auch Lust auf Süßigkeiten machen. Den Spagat muss man als Neuron mal hinbekommen.

Dieser „Dessertmagen“ im Gehirn ist so programmiert, dass wir Zucker immer zu uns nehmen, wenn er verfügbar ist, selbst wenn man gerade keinen Hunger hat. Der mitgelieferte archaische Erklärungsversuch: Zucker kommt in der Natur nur selten vor und liefert rasche Energie. Daher sollte man zuschlagen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Eine unbefriedigende Deutung, denn auch Trüffel sind in der Natur überaus selten und ich würde, wenn ich bereits einen Wasserbüffel verspeist hätte, nicht noch eine Trüffel nachschieben. Eine Trüffel-Torte wäre da aber schon wieder etwas anderes.

Mit unseren Instinkten habe ich ohnehin ein Hühnchen zu rupfen. Wo bleibt der gesunde Menschenverstand, wenn man sich denkt, es wäre klug, sich in Hurghada eine Woche lang die Haut für die gesunde „Bräune“ ungeschützt von der Sonne ansengen zu lassen, im Jänner mit Sommerreifen nach Obertauern zu fahren oder vor dem Langstreckenflug ein Schlafmittel einzunehmen – wenn man der Pilot ist. Vielleicht sind es aber auch ein und dieselben Nervenzellen, die uns vor einer Dummheit schützen und gleichsam auch Lust machen, mit einem Schlauchboot eine schwarze Skipiste runterzurutschen.

Wo bleiben also die Firewalls zum Eigenschutz, die den Organismus von Zigaretten, Kokain oder Schokolade schützen? Sitzt vielleicht der gesunde Menschenverstand gar nicht im Gehirn, sondern im Magen? Dazu lohnt es sich, eine Studie zu machen.

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Metadaten
Titel
Schokolade ist Kopfsache
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
14.02.2025