Wie man aus alten unnötigen Dingen neue unnötige Dinge machen kann.
Thomas Kainrath
Was waren wir doch für verschwenderische Haudegen: In der Schule haben wir noch mit Leidenschaft leere Getränkedosen flachgedrückt und damit Fußball gespielt. Das war unser analoges FIFA, der Gang war unsere Playstation, die Gangaufsicht der Torpfosten und die Glasvitrine mit den eingelegten Reptilien das Netz. Ich will jetzt nicht die Vergangenheit verklären und unsere Kreativität („wir haben ja damals nichts gehabt“) hervorheben. Allerdings fällt diese Soccer-Subdisziplin für künftige Generationen weg, denn Dosen dürfen nicht mehr zerquetscht, sondern müssen dem Recycling zugeführt werden. Seit Anfang des Jahres gibt es in Österreich ein neues Pfandsystem für solche Bügelverschlussdosen aus Aluminium und PET-Flaschen.
Tatsächlich bin ich ideologisch ein großer Freund der Nachhaltigkeit – und bevor meiner Frau beim Lesen dieser Kolumne das wiederaufbereitete Müsli im Hals stecken bleibt, relativiere ich: Im realen Leben liebe ich, wie eine Elster, neue Dinge, die glänzen, kaufe sie auch, fühle mich aber dennoch im Herzen wie ein Greenpeace-Aktivist. Sie hingegen ist sowohl ideologisch als auch real nachhaltig und darum bemüht, alte Dinge wieder neuen Aufgaben zuzuführen. So kann aus einem alten Gartenschlauch ein Kerzenständer werden, aus einer Badewanne ein Blumenbeet, aus einer verrosteten Lampe eine Couch. Auch in der Küche wird re- und upgecycelt und all die neu glänzenden Lebensmittel, die ich mit großer Begeisterung und in viel zu großer Menge gekauft und nach dem Kochen übrig gelassen habe, wandern in die Kreislaufwirtschaft, wenn meine Frau kocht. Meinen misstrauischen Gesichtsausdruck, ob Pizzateig im Kuchen und Reste von der „Minestrone Knorr Schlemmertüte, glänzend und original verschweißt“ in der Lasagne gelandet sind, entgegnet sie mittlerweile mit Gleichmut: „Das sind lauter gute Sachen!“. Ich bin von dieser nachhaltigen Geisteshaltung gleichsam beeindruckt wie befremdet, sehe mich aber als Teil des natürlichen Kreislaufs, denn das System würde niemals funktionieren, wenn man nicht immer wieder neue Dinge zukauft.
Im Gegensatz zum Recycling werden beim Upcycling ausgediente Produkte für andere Zwecke verwendet: So kann man etwa einen formschönen Stifthalter aus einer leeren Klopapierrolle und zwei alten Autoreifen, überaus nachhaltig, basteln. Es sei denn, man benötigt dazu auch noch einen Liter Leim, einen Kanister Farbe und einen Hochofen, um das Teil anzufertigen. Mit etwas Geschick lässt sich aus einem alten Staubwedel ein schicker Traumfänger herstellen, der nach kurzer Zeit zum Staubfänger mutiert. Am Medizinsektor bietet eine Firma neuerdings aus Kompressionsstrümpfen gefertigte Anti-Stressbälle und mit Lavendel gefüllte Duft-Teddybären an, die hoffentlich mehr nach Lavendel und weniger nach den alten Strümpfen riechen. So what! Ich entstamme schließlich einer Generation, die es zustande gebracht hat, eine leere Cola-Dose zum FIFA-Ball upzucyclen.