Im Jahr 2010 starben in den nördlichen Kalkalpen rund 30 Prozent der Gämsen. Die Todesursache der berühmten Alpen-Bewohner war lange unklar.
Den Tod der Gämsen verursachten zwei verschiedene Bakterienstämme.
A. Haymerle
Die Herkunft des Tiernamens Gams/Gämse wird auf Seite 23 ausführlich besprochen. Dass wir die so bezeichneten österreichischen Hornträger noch in ihrem Lebensraum beobachten könne, ist keine Selbstverständlichkeit.
Nachdem ungewöhnlich viele Tiere tot aufgefunden wurden, brachten beunruhigte Jäger und Forstwirte die Tierkadaver zur Obduktion an die Wildtierpathologie der Vetmeduni Vienna. Dort stellte sich heraus, dass die Tiere an einer bakteriellen Lungenentzündung verstorben waren. Die Ursache waren zwei, bisher bei Gämsen unübliche, Bakterienstämme.
Gämsen ( Rupicapra rupicapra ) teilen ihren Lebensraum mit unterschiedlichen Wildtieren und auch mit Nutztieren wie Rindern und Schafen, die auf den Almen weiden. Werden erkrankte oder gar verstorbene Tiere entdeckt, ist die Aufklärung der Krankheits- oder Todesursache wichtig, da das Risiko einer Übertragung zwischen verschiedenen Tierarten besteht. Das Pathologische Labor am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie hat sich auf solche Fälle spezialisiert.
Mannheimia und Bibersteinia
19 tote Tiere aus Amstetten, Lilienfeld und Salzburg wurden untersucht. Die Forschenden obduzierten die Tiere, analysierten verschiedene Gewebe und suchten nach Bakterien, Viren oder Parasiten in den Kadavern. Die Analysen ergaben, dass die Tiere an einer massiven Lungenentzündung verstorben waren. Die Ursache der schwerwiegenden Entzündung waren Bakterien mit den klingenden Namen Mannheimia glucosida und Bibersteinia trehalosi . Bislang wurden diese Bakterien in Rindern und Schafen nachgewiesen. Dass diese Keime bei Gämsen tödliche Lungenentzündungen mit Seuchencharakter auslösen können, war den Experten nicht bekannt. „Wildtiere dürfen nicht medizinisch behandelt werden. Deshalb gibt es nur wenige Möglichkeiten, den seuchenartigen Verlauf einzubremsen“, erläutert Annika Posautz vom Pathologie-Team des Forschungsinstitutes. „Man kann die Verwendung von Salzlecksteinen vermeiden.“
Seit dem Jahr 2010 ist kein akutes Gämsenmassensterben mehr aufgetreten. Posautz dazu: „Es war wahrscheinlich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Der Winter war sehr hart und die Tiere litten unter Parasitenbefall. Beides schwächt das Immunsystem der Tiere und führte wahrscheinlich zu den fatalen Sterbefällen.“