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Ärzte Woche

13.06.2024 | Tekal

ChatGPT kann Notfall

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Teil 1 zur künstlichen Intelligenz als neuer Mitbürgerin.

Sollten Sie im Besitz eines noch nicht fertig gereiften Gymnasiasten sein, so wird Ihnen die vorwissenschaftliche Arbeit (VwA) ein Begriff sein. Wenn nicht, ist es auch egal, denn sie soll nun wieder abgeschafft werden. Nicht, um den Schülern den Druck zu nehmen, neben dem Lernen noch ein ausführliches Elaborat verfassen zu müssen, sondern in der mangelnden Kontrollmöglichkeit, wer das Elaborat tatsächlich verfasst hat.

Zugegeben: Eine rege Mitarbeit der Familie in der Schulzeit wird traditionell als wahrscheinlich erachtet und akzeptiert. So hat einst die halbe Verwandtschaft samt eingeheiratetem Bildhauer nächtelang eine mit Laubsäge gefertigte Holzente mit nickendem Kopf für den Werkunterricht gebastelt und dafür gerade noch ein „Genügend“ erhalten. Auch das nächtelange Basteln an einer mit Laubsäge gefertigten vorwissenschaftlichen Arbeit wird hingenommen. Dass sich jedoch nun die KI als Helferlein anbietet und man ChatGPT bitten kann, eine VwA zum Thema „Holzenten mit nickendem Kopf, im Hinblick auf die Geschicklichkeit der Mischpoche“ zu erstellen, geht den Behörden zu weit. Denn das würde den sozialen Nachteil jener Kinder, die sonst keine familiäre Unterstützung haben, ausgleichen, und damit dem elitären Aspekt der Bildung für alle widersprechen.

ChatGPT hilft nun mal tatsächlich allen, die um Hilfe bitten. Dass sich diese soziale Ader der künstlichen Intelligenz auf moralische Grundsätze stützt, darf jedoch bezweifelt werden. Eine Maschine dient schließlich jedem, der sie bedient. Womit sie zum idealen Mitarbeiter im Krankenhaus wird. Da sie dabei auch nicht über miese Arbeitsbedingungen jammert, ist es nicht überraschend, dass sie zusehends im Medizinbetrieb zum Einsatz kommt.

In einer Studie hat man jüngst die KI auf ihre Tauglichkeit als Notfallmediziner geprüft. Bei der Bewertung von erhobenen klinischen Daten hat sie, im direkten Kopf-an-Kopf-Rennen mit Ober- und Assistenzärzten, tatsächlich besser abgeschnitten. Müssen wir uns also fürchten, dass uns ChatCPT den Job streitig macht oder, während die Ärzteschaft vor den Toren demonstriert, in der Zwischenzeit Patienten triagiert? Harren Gesundheitsstadträte schon darauf, künstliche Intelligenzen in den Notaufnahmen zu beschäftigen, die keine Wünsche hegen, daneben auch noch eine Wahlarztordination zu betreiben?

Ob ChatGPT tatsächlich etwas von Ethik und Moral versteht, möchte ich aus Platzgründen in der nächsten Kolumne klären. Soviel sei jetzt schon gesagt: Zwar fladert die KI keine Sonntagszeitung und erschwindelt sich Krankenstände, doch hat sie nur wenig Skrupel, sich Dinge völlig frei zusammenzureimen und zu behaupten, die Informationen stammen aus einer seriösen Quelle. Da gibt es noch Nachholbedarf. Erst wenn die künstliche Intelligenz Ethik gelernt und dann wieder verworfen hat, kann sie ein vollständiges Mitglied der Gesellschaft werden.

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Metadaten
Titel
ChatGPT kann Notfall
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
13.06.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 26/2024