Gesundheit hält nicht an zeitliche Vereinbarungen.
Thomas Kainrath
Der „Bergdoktor“, der den ärztlichen Alltag so authentisch wiedergibt wie James Bond die Tätigkeit eines BVT-Beamten, erfüllt Patiententräume. Jüngst stand Herr Doktor Gruber im Vorgarten seiner rustikalen Ordination inmitten der Tiroler Berge. Ein Patient kommt auf ihn zu, mit den Worten: „Ich habe leider keinen Termin“. Worauf der Arzt entgegnet „jetzt haben Sie einen“ und ihn in die Praxis bugsiert. Der Patient war dann auch der einzige Kunde in dieser Woche, dafür durfte Dr. Gruber aber sämtliche Leistungen wie Ordination, EKG und den Posten „ausführliche diagnostisch-therapeutische Aussprache“ mit der Kasse verrechnen.
Tatsächlich gelten Termine im Fernsehen als unsexy. Die Formel 1 wäre wohl kein so großer Renner, müsste man für den Reifenwechsel beim Boxenstopp einen Termin vereinbaren. „Das wird sich die Woche nicht mehr ausgehen, Herr Verstappen.“ Der Reiz liegt in der Spontanität und der Faszination, dass ein Service, das normalerweise mit Wuchten, Umstecken und Zigarettenpause eine gute halbe Stunde dauert, auch in drei Sekunden erledigt werden kann. Auch 007 taucht bei Blofeld in der Regel ohne Termin, völlig unvermutet, auf. Vielmehr weiß der Bösewicht auch ohne Vorankündigung, dass der Agent vorstellig wird „Ich habe Sie schon erwartet, Mister Bond!“ Vorbildlich wie der Bergdoktor und auch er betreut pro Woche nur einen Spion.
Termine sind vielen Patienten ein Dorn im Auge. Zum einen liegen die Wartezeiten für Augenärzte, die diesen Dorn entfernen sollen, bei mehreren Monaten. Zum anderen muss man mitunter trotz Termin warten, wenn an diesem Tag auch besonders viele Akutpatienten kommen. Der Versuch, sich vor Ort rasch noch als Akutpatient zu deklarieren, obwohl man einen Termin hat, führt jedoch nur dazu, dass man dann warten muss, bis alle Terminpatienten abgearbeitet sind.
Umgekehrt hat der Wiener Urologenverband unlängst vermeldet, dass rund 2.200 Termine pro Monat nicht wahrgenommen werden. Vermutlich, da die Patienten in der Zwischenzeit wieder gesund, verstorben oder stattdessen in eine Spitalsambulanz gegangen sind. Die Zahl der No-Show-Patienten soll durch Ausfallshonorare gesenkt werden, was zwar abschreckend wirken, vor allem aber zu lautstarken Diskussionen mit den Ordinationsangestellten (vulgo „G‘sindl“) führen kann.
Es treffen hier zwei Welten zusammen: Denn während das Gesundheitssystem auf Termine pocht, kann die Gesundheit mit Terminen nicht viel anfangen. Dazu ist sie viel zu spontan und verabschiedet sich just nachts, am Wochenende oder eine Minute nach Ordinationsschluss. Dafür kehrt sie gerne zurück, wenn man die Symptome bei der ärztlichen Untersuchung gerne präsentiert hätte, sie sich jedoch, im Sinne des Vorführeffektes, dann nicht so recht einstellen wollen. Dann doch lieber eine sofortige Konsultation aus der Hüfte schießen wie die Kollegen Dr. Gruber, Dr. Verstappen und Dr. Bond. Weil Krankheiten nun mal leider terminlich so verdammt unflexibel sind.